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RiCHARD K.URT DoNiN Romanische Portale in Niederösterreich

Eine zweite Kapitälform, die zwar nicht so originäre Erßndung* der normännischen
Kunst, aber von ebensolcher Verbreitung wie das Faltkapitäl ist, besteht in einer Nach-
ahmung oder besser Rückbildung des korinthischen Kapitäls in der Richtung, dah das
Mittelblatt durch einen Vorsprung der Platte, oft auch durch eine hgürliche Darstellung
ersetzt wird, die untere Blätterreihe aber sich immer fester, kranzförmig schließt. Im letzten
Stadium der Entwicklung zerfällt dann das Kapitäl in zwei horizontal streng geschiedene
Teile, wie sich diese Entwicklung* an zahlreichen bei Ruprich-Robert^^) abgebildeten nor-

männischen Kapitälen verfolgen läßt. Am schotti-
schen Südportal von St. Jakob (Fig. 49) tritt es
zuerst in Bayern auf und zeigt am Südportal
von Niedermünster in Bayern^^) schon den
charakteristischen Kranz. Noch später wird es
in Niederösterreich an den Karnerkapitälen in
Mödling (Fig. 80) aufs zierlichste ausgestaltet.
Seine Weiterentwicklung am Riesentor zu
St. Stephan soll noch besprochen werden.

Am Bau von St. Jakob wird auch zuerst das
in Deutschland bereits übliche Band- und Flecht-
ornament durch die Besetzung des doppelkon-
turigen Bandes mit runden, später eckigen
Knöpfen bereichert*^). Sie müssen nicht unbe-
dingt von der normännischen Kunst übernommen
sein, obwohl sie sich in ihr schon seit dem XI. Jh.
überaus häuhg hnden. Doch tritt die Übertragung
des der nordischen Tierornamentik angehörenden
Motivs auf Stein zumindest in Frankreich uns
zuerst entgegen. Wie es am plumpen Würfel-
kapitäl in Verbindung mit dem ebenfalls in
Frankreich wieder klassische Schönheit gewin-
nenden Akanthusblatte oder der Palmette ver-
wendet wird, mag als sehr vorgeschrittenes fran-
zösisches Beispiel ein Kapitäl der 1147 voll-
endeten Kirche von Autun (Saöne-et-Loire) oder
das dem Kapitäl von St. Jakob viel näher kommende normännische von Reviers (Calva-
dos)^^^), zwei Kapitäle vom ehemaligen Kreuzgang von St. Jakob (Fig. 57) oder die Pal-
mettenfüllungen in Tückelhausen'^) und eins von unserem Deutsch-Altenburger Karner*^°)
dartun.

Dem punktierten Band verwandt ist derjüiamantstab, ein allgemein verwendetes Motiv,
das aber für normännische Portal- und Fensterdekorationen dadurch charakteristisch wird,
daß es als schmaler Rundstab die Archivolten gegen die Mauer abschließt. Beispiele für

Fig- '

*9") Taf. XLV Nr. 2, 9, 13, Taf. LXXXIV Nr. 1,
Taf. XI Nr. 4. Die erste Yorstufe dieser Riickbildung ist
an oberitalieniscben Kapitälen wahrnehmbar.

Abb. bei Wagner Fig. 10.

H. Wagner a. a. O. S. 42. Vgl. den Pfciler von
St. Jakob bei Karl AlöHinger „Die deutschromanische Ar-

chitektur" (Seeman 1891) Taf. 40 Abb. 5 und 5 (I).

183) Abb. bei Baum S. 180 und bei R. R. CL II 11.
189) Abb. in: Die Kunstdenkmale des Rönigreiches
Bayern, Unterfranken S. 2^8.

1^8) Das Kapitäl behndet sich auf der Rückseite des
Karners.
 
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