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RlCHARD K.URT DoNIN Romanische Portale in Kiederösterreich
Der Halsring des innersten Säulenkapitäls greift nach Deutsch-Altenburger Art über
den Türpfosten. Auf den Wülsten sitzen hgürliche Gestaiten — links ein sirenenartiges
Geschöpf mit dem Doppelschwanz in den Händen, rechts ein drachenähnliches Tier und
eine menschliche Figur (Fig. 77). Diese uns schon bekannten Türsturzkonsolen knüpfen
hier an zwei Portale in Trebitsch und das Wr.-Neustädter Nordtor an. Für Niederösterreich
neu ist der ornamentierte Nämpferfries, der am Nordportal des Neustädter Domes eine
Vorstufe, in Jäk aber die volle Ausbil-
dung erreicht hat. Er umzieht den gan-
zen Vorbau, springt über Kapitäle und
Pfosten und endet am Türsturz (Fig. 77).
Zum ersten Mal also an dieser Portal-
gruppe wieder jenes bayrische Merkmal
der Gesimsverkröpfung über dem Pfo-
sten, das dem Deutsch-Altenburger Por-
tal seine Signatur gibt und in Jäk wieder-
holt wird. Es ist überhaupt auffallend,
wie viele ältere Motive das Tullner Por-
tal wieder aufgreift, um größeren Reich-
tum zu erzielen. So entwickelt dieser
Fries das Ornament des Deutsch-Alten-
burger und Mödlinger Karners (Pal-
metten in diamantierten, durch Ringe
verbundenen Kreisen, Fig. 53 b) weiter.
Das Auslaufen des Bandes in überhän-
gende, fast naturalistisch geformte Blät-
ter kennzeichnet dabei den Fortschritt
der späteren Zeit. Das Friesornament
wird, vorbildlich für das Riesentor, nach
dem Verlassen des Portalinnern ein-
facher.
Ein Blick aut die kleeblattbogigen
Fig. 77 Tulin, Rarnerporta], Detaii -n, , , , . , r ,,
^ ^ r- - . BlendarkadendesKarnerslehrt ebentalls
die Abhängigkeit von Jäk. Sie ziehen sich in TuIIn um den Bau (Fig. 31), tauchen beim Süd-
portal der Liebfrauenkirche in Wr.-Neustadt (Fig. 68) auf, fassen in Jäk die Apostelhguren
ein (Fig. 75). Zum ÜberRuß erscheint sogar die vierte dieser Apostelhguren der rechten Seite
der Jäker Pforte in Tulln als „Stifterßgur" mit ähnlich emporgehobenem Obergewand^^)
236) Die StifterHgur (Abb. 31), wie der Augenschein
lebrt, bündig aus der KLarnermauer gemeißelt, also gleicli-
zeitig mit dern K.arner, läßt den großen Fortscbritt im Ver-
gleich mit der datierbaren Grabhgur Friedrich des Streit-
baren in Heiligenkreuz erhennen, einer Plastik, cie erst
nach dem Tode des 1246 in der Schlacht an der Leitha ge-
fallenen Fürsten entstanden, doch nicht als Produkt zurück-
gebliebener Volkskunst angesehen werden kann. Vergleicht
man den unartikulierten Leib dieser Figur, die durchaus
schematisch gearbeiteten, leblos anliegenden Arme, die sym-
metrisch rechts und links Schild und Schwert halten, die
säulenförmigen parallelen Beine, die altertümliche Fältelung
des "Waßenrockes, wie sie in Thüringen z. B. für 1230 (A.
Buchner, Die mittelalterliche Grabplastik in Nordthiiringen
S. 6) üblich ist, und in Niederüsterreich nach 1246 noch
vorkommt, mit der viel bewegteren Haltung der Arme der
Tullner Figur, mit ihrem energischen Hinaufziehen des Ge-
wandes, den in Schrittstellung gebildeten Beinen, dem
deutlich geschiedenen Oberkörper, so wird man wohl ohne-
weiters zugeben, daß 10 Jahre Zeitdifferenz zwischen beiden
Figuren angenommen werden muß.
RlCHARD K.URT DoNIN Romanische Portale in Kiederösterreich
Der Halsring des innersten Säulenkapitäls greift nach Deutsch-Altenburger Art über
den Türpfosten. Auf den Wülsten sitzen hgürliche Gestaiten — links ein sirenenartiges
Geschöpf mit dem Doppelschwanz in den Händen, rechts ein drachenähnliches Tier und
eine menschliche Figur (Fig. 77). Diese uns schon bekannten Türsturzkonsolen knüpfen
hier an zwei Portale in Trebitsch und das Wr.-Neustädter Nordtor an. Für Niederösterreich
neu ist der ornamentierte Nämpferfries, der am Nordportal des Neustädter Domes eine
Vorstufe, in Jäk aber die volle Ausbil-
dung erreicht hat. Er umzieht den gan-
zen Vorbau, springt über Kapitäle und
Pfosten und endet am Türsturz (Fig. 77).
Zum ersten Mal also an dieser Portal-
gruppe wieder jenes bayrische Merkmal
der Gesimsverkröpfung über dem Pfo-
sten, das dem Deutsch-Altenburger Por-
tal seine Signatur gibt und in Jäk wieder-
holt wird. Es ist überhaupt auffallend,
wie viele ältere Motive das Tullner Por-
tal wieder aufgreift, um größeren Reich-
tum zu erzielen. So entwickelt dieser
Fries das Ornament des Deutsch-Alten-
burger und Mödlinger Karners (Pal-
metten in diamantierten, durch Ringe
verbundenen Kreisen, Fig. 53 b) weiter.
Das Auslaufen des Bandes in überhän-
gende, fast naturalistisch geformte Blät-
ter kennzeichnet dabei den Fortschritt
der späteren Zeit. Das Friesornament
wird, vorbildlich für das Riesentor, nach
dem Verlassen des Portalinnern ein-
facher.
Ein Blick aut die kleeblattbogigen
Fig. 77 Tulin, Rarnerporta], Detaii -n, , , , . , r ,,
^ ^ r- - . BlendarkadendesKarnerslehrt ebentalls
die Abhängigkeit von Jäk. Sie ziehen sich in TuIIn um den Bau (Fig. 31), tauchen beim Süd-
portal der Liebfrauenkirche in Wr.-Neustadt (Fig. 68) auf, fassen in Jäk die Apostelhguren
ein (Fig. 75). Zum ÜberRuß erscheint sogar die vierte dieser Apostelhguren der rechten Seite
der Jäker Pforte in Tulln als „Stifterßgur" mit ähnlich emporgehobenem Obergewand^^)
236) Die StifterHgur (Abb. 31), wie der Augenschein
lebrt, bündig aus der KLarnermauer gemeißelt, also gleicli-
zeitig mit dern K.arner, läßt den großen Fortscbritt im Ver-
gleich mit der datierbaren Grabhgur Friedrich des Streit-
baren in Heiligenkreuz erhennen, einer Plastik, cie erst
nach dem Tode des 1246 in der Schlacht an der Leitha ge-
fallenen Fürsten entstanden, doch nicht als Produkt zurück-
gebliebener Volkskunst angesehen werden kann. Vergleicht
man den unartikulierten Leib dieser Figur, die durchaus
schematisch gearbeiteten, leblos anliegenden Arme, die sym-
metrisch rechts und links Schild und Schwert halten, die
säulenförmigen parallelen Beine, die altertümliche Fältelung
des "Waßenrockes, wie sie in Thüringen z. B. für 1230 (A.
Buchner, Die mittelalterliche Grabplastik in Nordthiiringen
S. 6) üblich ist, und in Niederüsterreich nach 1246 noch
vorkommt, mit der viel bewegteren Haltung der Arme der
Tullner Figur, mit ihrem energischen Hinaufziehen des Ge-
wandes, den in Schrittstellung gebildeten Beinen, dem
deutlich geschiedenen Oberkörper, so wird man wohl ohne-
weiters zugeben, daß 10 Jahre Zeitdifferenz zwischen beiden
Figuren angenommen werden muß.