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RfCHARD KURT DONIN RomEmische Fortale in Niederösterreich

Auch der für die romanische Spätzeit in
Niederösterreich charakteristische, antiki-
sierende weibliche Kopf mit seiner freieren
Haarbehandlung* ist vor 1250 nicht recht
denkbar^^^).

Wie das Portal selbst ausgesehen haben
mag, darüber fehlt jede Aufzeichnung und
jedes Bild. Vielleicht iäßt der Umstand,
daß man bei der Öffnung eines kleinen
Mauerteiles auf z w e i Portallöwen stieß,
darauf schließen, daß in derMauer der Kirche
noch mehr romanische Löwen schlummern
und daß das Wiener Schottenportal sich da-
her an das berühmte Regensburger Schotten-
portal anschloß, welches mit seinen 14 Löwen
ein richtiges „Löwentor" ist. Ha nur die
eine Längsseite des Löwen Spuren der Ver-
witterung zeigt, liegt nahe, an eine ähnliche
Aufstellung wie die der Löwen des Riesen-
tores zu denkenSM).

Unweit des Löwen wurde bei der er-
wähnten Mauerbeschädigung auch ein be-
hauener Stein gefundeiDM), der heute eben-
falls im Archiv des Stiftes liegt (Fig. 89).

Das geübte Auge wird in diesem Stein ein
Stück eines Portals erkennen. Es ist ein Teil des Türpfostens. In dem rechteckigen
Ausschnitt unten drehte sich, wie an dem Portairest aus Krems (Fig. 10) zu sehen war,
die Türangel. Links oben iäuft eine zweite, rechtwinkelig ausgehauene Rinne. Dort
setzte der Stein des ersten Gewändevorsprunges ein. Deutlich ist an der oberen Kante
die Profilierung der Türpfosten zu sehen. Nach einem nicht allzu stark betonten, von zwei
Plättchen begleiteten Eckrundstabe wächst an Stelle der eingesteilten Portalsäulen, ähnlich
wie bei den Toren der Deutsch-Altenburger Pfarrkirche, ein ziemlich frei gearbeiteter
Rundstab heraus, der also in den ersten Rücksprung des Gewändes zu iiegen kommt.
Seine schlanke Form und die sichtiiche Neigung, gegen die Tür etwas überzufallen, be-
zeichnen einen Schritt auf dem Wege zur Gotik. Der Löwe und dieser Stein können daher
ganz gut gieichzeitig entstanden sein, ja, einem und demselben Portai angehört haben.

Aus ikonog'raphischen Gründen könnte man vielleicht auch die jetzt im Landesmuseum
aufbewahrten Plastiken vonWultendorf^^") sich um ein Portal lombardisch-bayrischerPro-
venienz gereiht denken, so besonders die Darstellung von Adam und Eva, des Löwen,
des Mannes, der mit der Sirene kämpft (Fig. 16), und auch der Heiligen, von denen

Fig. 90 Hainburg, Ritterbgur am Wiener Tor

36') Das Portal kann sogar dem Kirchenncubau nach
1276 angehört haben!

363) A. Hiibl, Baugeschichte des Stiftes Schotten in
Wien (M. A. XLVI 46).

369) M. A. XXX n.

3*6) Es ist nicht mehr eruierbar, an welcher Stelle der

romanischen Kirche diese Plastiken angebracht waren. Lind
(M. A. XV 80) sah sie bereits an der gotischen Kirche zu
Wultendorf, die heute auch nicht mehr besteht (Blätter für
Landeskunde 1868, 78 und M. Z. XVII — CXIV). Die
Skulpturen gingen dann in die Sammlung Widter und aus
dieser ins Landesmuseum über.
 
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