Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]: Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes (12.1918)

Fig. x Vedute der Umgebung von S. Girolamo bei Spalato

Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges
Ein allgemeiner Beitrag- zur Geschichte der Antikennachahmung
Von Oswald von Kutschera-Woborsky
Gegen den Westen der Stadt Spalato schiebt sich das Massiv des Monte Marjan weit
ins Meer hinaus, ein spitz zulaufendes, von zerklüfteten Karstfelsen und üppiger Vegetation
erfülltes Vorgebirge bildend, das mit den von der entgegengesetzten Seite nahe heranreichenden
Ausläufern der Insel Bua jenes gerühmte Meeresbecken begrenzt, in dessen Bereich der Hafen
des alten Salona, die Niederlassungen der Sette Castelli und im nördlichsten Winkel — einer
Wasserburg vergleichbar — die Stadt Trau vor Waffenvergewaltigung und Meeresgefahr
Schutz und Sicherheit finden konnten1). Indem man sich, auf einer ziellosen Wanderung,
der Führung verfallener Saumwege übei'ließ, die in verschiedenen Verzweigungen über das
Plateau und in mittlerer Höhe oberhalb der Küste verlaufen, so konnte nur ein freundliches
Schicksal zur Auffindung eines höchst merkwürdigen Kunstwerkes verhelfen, das bis jetzt
vergessen und unbeachtet, ohne das Wirken dieses Zufalles wohl auch weiterhin bis auf ein
langes unbemerkt in seiner wilden Umgebung verblieben wäre. Denn kaum, daß man —■
etwas über eine Wegstunde von Spalato entfernt — an einer verlassenen Kapelle mit nicht
bedeutenden Renaissanceskulpturen2) vorbeigegangen war, stand man plötzlich vor einer
Szenerie, die in ihrem unerwarteten Entgegentreten den Ankommenden auf das seltsamste
berühren mußte. Vor der steil aufragenden Felswand, in deren Schutzbereich eine zweite
Kapelle stand, hatte man mächtige Steinkonstruktionen aufgeführt, die stockwerkförmig
übereinander angebrachte Öffnungen zeigten. Diesen Fenstern entsprachen geräumige,
*) Vgl. die Kartenskizze bei Petermann, Führer durch und der Heiligen Hieronymus und Johannes Bapt. In dem
Dalmatien, Wien 1899, S. 272. lunettenförmigen Aufsatze die Kreuzigungsszene mit Jo-
2) I11 der Chornische ein dreigeteilter (sehr beschädig- hannes und Magdalena,
ter) Renaissancealtar mit den Reliefs der Geburt Christi
Jahrbuch des kunsthist. Instituts des deutschösterreichischen Staatsdenkmalamtes 1918

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