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Oswald von Kutschera-Woborsky Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges

mußte, hier über alle Schranken irgend einer zufälligen und auswählenden Nachahmung
und Inspiration hinausging; daß vielmehr sein vollgültiges Vorhandensein nur die eine
Frage zuließ, ob ein irgendwie spielender Zufall einer antiken Spolie diese weltentrückte
Zuflucht gegeben hatte, oder ob in späterer Zeit ein nachgeborener Meister aus der ver-
trautesten Kenntnis antiker Originale heraus, diese getreulich kopierend, sein Werk nach
ihrem Ebenbilde nachzubilden sich unterfing. Und da nun diese Vorlagen, die allein hier
gewirkt haben konnten, leicht erkennbar waren und in Menge sich dem Vergleiche willig
darboten, war der Zeitraum nur kurz, in welchem ein Zweifel über dem Vorliegen eines
Werkes jener früheren oder einer späteren Epoche anhielt, also, in dem die Entscheidung


(Eig. Aufn.)
Fig. 4 Spalato, Museum: Römischer Grabstein

zwischen einem Original oder einer Kopie geschwankt hatte; recht im Gegensätze zu der
abwechslungsreichen Beurteilung, welche den Büsten des Brückenkopfes von Capua (aus
der Zeit Friedrichs II.) zuteil geworden war, an deren antikisches Wesen nebst anderen
Beispielen man sich unwillkürlich erinnert fühlte.
Die unübersehbare Reihe römischer Grabsteine mußte man heranziehen als ausschließlich
einflußgebendes Gut, das hier nach Jahrhunderten wieder zu neuem Leben erweckt schien.
Und der Anblick dieser sepulkralen Monumente8) — die zum größten Teil als Familiengräber
erdacht, die Büsten der beiden Eheleute und ihrer Kinder und Verwandten, also zwei oder
mehrerer Personen aufwiesen — ergab die Lösung jenes Bedenken, das ursprünglich über
die Datierung des Johannesreliefs geherrscht haben mochte (vgl. Fig. 4).
Wie eng auch der Meister des Giovanninoreliefs die Gesetze und Merkmale seiner Vor-
bilder nachzuahmen sich bestrebt hatte, wenn er — abgesehen von der übernommenen
8) Vgl. zur Orientierung: Walter Altmann, Die römi- sehen Porträtskulptur, Strenna Helbigiana, Leipzig 1900,
sehen Grabaltäre, Berlin 1905. Alois Riegl, Zur spätrömi- S. 250t. und Spätrömische Kunstindustrie, Wien 1901.
 
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