Oswald von Kütschera-Woeorsky Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges
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Frontalität und jener charakteristischen, dem „rilievo incassato“ eigentümlichen Einpassung
der Figur in die Umrahmung der Cella — auch in den Gesten des Dargestellten und in
den Windungen des faltenreichen Tuches der
Toga und in Details, wie jenen seitlich ver-
schobenen, winkelförmigen Zwickeln des Hals-
saumes, getreulich an den gewählten Schemen
festhielt, so ergaben doch stilistische Einzel-
heiten, das flache und tiefenarme Volumen des
Körpers, die allzu sorgfältige Modellierung des
Kopfes (welche die Wirkung einer kleinlichen
Ziselierung nicht völlig entbehrte) und manches
im Aufbau der Adikula, den Beweis, daß unser
Relief zeitlich keineswegs mit den antiken
Grabsteinen zusammenfallen könne und die vor-
liegenden Unterschiede weder mit den Stelen
augusteischer noch spätantiker (Diokletians) Zeit
eine Vereinbarung gestatten würden. Freilich
mußte beachtet werden, daß der Typus der
römischen Grabcippi nur in wesentlichen Zügen
eindeutig bestimmt war: daß je nach dem Auf-
wande und der Würde und den Verdiensten
der Verstorbenen einfachere oder reicher ge-
schmückte Stelen errichtet worden waren, daß
die Ädikula des öfteren von kannelierten Säulen
eing-efaßt wurde, mit dem Aufbau von Gesimsen,
Giebeln und Akroterien (in der verkleinerten
Form eines Tempels) und daß auch — wie etwa
ein Grabstein des Seminario patriarcale in Ve-
nedig kundgibt9) •— zwickelausfüllende Rosetten
(in größter Ähnlichkeit mit den auf unserem
Relief sichtbaren) vorkamen. Desgleichen wech-
selte in mannigfachster Weise auch das Format
der „Imagines Clipeatae“, die teils in Form von
Kopf- und Brustbildern auftreten, teils die voll-
ständige Figur des Abgebildeten zeigen oder
den Körper desselben — konform unseres
Johannesbildes etwas unter der Hüften- Fig. - Spalato, Museum: Römischer Grabstein
partie abgeschnitten darstellen (Fig. 5)10). Diese
Unterscheidungsmerkmale, die wir bis dahin beobachten konnten, lassen sich noch um
manches näher bestimmen; der naturalistische Zug der römischen Sepulkra, die raschen
Bewegungen, die man sah und nachfühlte in der momentan fixierten Haltung des
Kopfes, in dem festen und raschen Greifen der Hand in den von der Schulter herab-
9) (Piva), Guida del visitatore artista atraverso il Se- 10) Dieser Grabstein stammt aus Muc bei Gardun, vgl.
minario Patriarcale di Venezia 1912, 'S. 83 (m. Abb.) und Hofmann, Römische Militärgrabsteine der Donauländer,
Altmann, passim. Wien 1905, S. 71.
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Frontalität und jener charakteristischen, dem „rilievo incassato“ eigentümlichen Einpassung
der Figur in die Umrahmung der Cella — auch in den Gesten des Dargestellten und in
den Windungen des faltenreichen Tuches der
Toga und in Details, wie jenen seitlich ver-
schobenen, winkelförmigen Zwickeln des Hals-
saumes, getreulich an den gewählten Schemen
festhielt, so ergaben doch stilistische Einzel-
heiten, das flache und tiefenarme Volumen des
Körpers, die allzu sorgfältige Modellierung des
Kopfes (welche die Wirkung einer kleinlichen
Ziselierung nicht völlig entbehrte) und manches
im Aufbau der Adikula, den Beweis, daß unser
Relief zeitlich keineswegs mit den antiken
Grabsteinen zusammenfallen könne und die vor-
liegenden Unterschiede weder mit den Stelen
augusteischer noch spätantiker (Diokletians) Zeit
eine Vereinbarung gestatten würden. Freilich
mußte beachtet werden, daß der Typus der
römischen Grabcippi nur in wesentlichen Zügen
eindeutig bestimmt war: daß je nach dem Auf-
wande und der Würde und den Verdiensten
der Verstorbenen einfachere oder reicher ge-
schmückte Stelen errichtet worden waren, daß
die Ädikula des öfteren von kannelierten Säulen
eing-efaßt wurde, mit dem Aufbau von Gesimsen,
Giebeln und Akroterien (in der verkleinerten
Form eines Tempels) und daß auch — wie etwa
ein Grabstein des Seminario patriarcale in Ve-
nedig kundgibt9) •— zwickelausfüllende Rosetten
(in größter Ähnlichkeit mit den auf unserem
Relief sichtbaren) vorkamen. Desgleichen wech-
selte in mannigfachster Weise auch das Format
der „Imagines Clipeatae“, die teils in Form von
Kopf- und Brustbildern auftreten, teils die voll-
ständige Figur des Abgebildeten zeigen oder
den Körper desselben — konform unseres
Johannesbildes etwas unter der Hüften- Fig. - Spalato, Museum: Römischer Grabstein
partie abgeschnitten darstellen (Fig. 5)10). Diese
Unterscheidungsmerkmale, die wir bis dahin beobachten konnten, lassen sich noch um
manches näher bestimmen; der naturalistische Zug der römischen Sepulkra, die raschen
Bewegungen, die man sah und nachfühlte in der momentan fixierten Haltung des
Kopfes, in dem festen und raschen Greifen der Hand in den von der Schulter herab-
9) (Piva), Guida del visitatore artista atraverso il Se- 10) Dieser Grabstein stammt aus Muc bei Gardun, vgl.
minario Patriarcale di Venezia 1912, 'S. 83 (m. Abb.) und Hofmann, Römische Militärgrabsteine der Donauländer,
Altmann, passim. Wien 1905, S. 71.