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Oswald von Kutschera-Woborsky Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges

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So daß die Aufdringlichkeit des täg'lich
Gesehenen und von Jugend an Vertrauten
nicht so sehr die Nachahmung empfahl, als
die Unmöglichkeit oder wenigstens die An-
strengung des Sichlosreißens und der Befrei-
ung ihres Eindruckes verursachte oder er-
schwerte.
Der komplizierte, dicht mit Reliefs, Fi-
guren und Zierarten jeder Art erfüllte Orga-
nismus des berühmten Domportales zu Trau,
das der Künstlerinschrift56) zufolge im Jahre
1240 von einem Meister Radovan geschaffen
worden war, konnte für diese Behauptungen
die mannigfachsten Bezeugungen geben. Sei
es der Einfluß der Porta aurea und des Spala-
tiner Äskulaptempels (Baptisterium), der in
den Proportionen und in der Dekorierung
der Löwen tragenden Konsolen57) zutage tritt
(Fig. 13 und 14), sei es die fruchtbare Nach-
wirkung der Türpfosten des Domes zu Spa-
lato6g) („Mausoleo Diocleziano“), die sich in
dem vegetabilen und animalischen Ranken-
schmuck der inneren Portalstützen in ikono-
graphischer und technischer Beziehung glei-
tend macht (vgl. Fig. 16—20). Und Andrea
Buvina, der Meister der prächtigen Holztür
des Spalatiner Doms, hatte neben Elementen
der Völkerwanderungskunst für die mehr-
fachen Einfassungen und Rahmenleisten
seiner die Leidensgeschichte Christi illustrie-
renden Reliefs sowohl die Formen der Lei- Fig. 15 Trau, Loggia (Detail)
bungen des antiken Domportals als auch den
Gesimsschmuck des Äskulaptempels sich zum Vorbild genommen. Auch konnte man
bemerken, daß ein Maskeron auf den mit Trägerfiguren geschmückten Säulenbasen des
Spalatiner Kampanileeinganges59) mit einer ähnlichen Maske der Gesimsverzierungen des
„Baptisteriums“ zusammenhängt (Fig. 21 und 22); daß weiter in bedeutender Höhe des

zusammenhängend mit den Reisen und dalmatinischen Pu-
blikationen fremder Gelehrter und Künstler [Wheeler,
Adams, Neumayr (1787), Fortis]. Schon der venezianische
Vedutenmaler Marco Ricci (1673—1729) war in seiner Jugend
vier Jahre lang in Spalato gewesen (F arte 1913, S. 365).
56) Diese wichtige Inschrift wurde in der ge-
samten Literatur bis auf den heutigen Tag nie voll-
ständig gelesen, worüber demnächst berichtet
werden wird.
57) Ein Motiv, dessen Weiterleben noch in dem

Schmuck der Reliefwand der Loggia des Domplatzes zu
Trau ersichtlich ist (Fig. 15).
58) Inzwischen von Ivecovic (I, S. 21) kurz bemerkt.
59) An Stelle der vollständig mißverstandenen Kopien,
die seit demNeubau des Kampanile dort angebracht sind, wird
hier eine Aufnahme des unverfälschten Originales im Spala-
tiner Museum reproduziert. Der Gebrauch dieses Motives ist
für jene Zeit äußerst charakteristisch, vgl. eine Zeichnung des
AlbumsVillard d’Honnecourts(ed.LassusParis l888,pl.IX)und
die Verwendung im Castel del Monte und häufig inFrankreich.
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