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Oswald von Kutschera-Woborsky Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges
trotz aller Schemen überlieferter Kalenderillustrationen dem vertrauten Anblicke römischer
Soldatengräber (man vergleiche die Bewaffnung) unterworfen war63) und dessen Neben-
figur, der ins Horn stoßende nackte Knabe, der in heftiger Beweg-ung mit fliegenden
Haaren herbeieilt, an die Vorlage einer antiken Bronzestatuette denken läßt (Fig. 25).
Hauptsächlich aber jenes Phänomen, daß der Meister Radovan in dem schmuckreichen
(Eig-. Aufn.)
Fig. 19 Trau, Domportal: Details aus den linken Leibungspfeilern
Gefüge seines Werkes die Figuren der ersten Eltern in völliger Nacktheit abbildete, jene
höchst merkwürdige Erscheinung, die, vor Niccolo Pisano und beinahe um ein Jahrhundei’t
früher als eine fälschlich zur Domkanzel Giovanni Pisanos gerechnete Tugendgestalt64)
entstanden, fast völlig vereinzelt dasteht (Fig. 26—28). Denn während die den gleichen
Vorwurf illustrierenden Portalfiguren des Domes zu Lodi65) noch bekleidet dargestellt
wurden, so gewährt -—• mit Ausnahme zweier
63) Vergleichsmaterial und „Rekonstruktionen“ bei
F. Koepp, Die Römer in Deutschland, Bielefeld und Leipzig
1912. Hofmann a. a. O. passim.
G4) Vgl* über Supinos Zuweisung der Figuren an Tino
da Camaino (wogegen Bertaux sich wendete) Julius von
Schlosser, Jahrbuch d. Allerhöchst. Kaiserh., Bd. XXIV,
S. 141 f. v. Schlosser betont den von der mediceischen
Venus vertretenen Typus der antiken Vorlage; (dort
auch die Ausführung literarischer Stellen über antike
Funde, die damit in Verbindung gesetzt werden könnten:
Die bekannte Erzählung Ghibertis und die Nachricht
Statuen in St. Agostino zu Ascoli Piceno66) —■
des Dante-Kommentars des Benvenuto Rambaldi [Ende
des XIV. Jhs.]).
65) Diego d’ Ambrogio, Lodi Vecchio, Milano 1895,
tav. XXVIII. Ebensowenig in Rheims (Weese, Die Barn-
berger Domskulpturen, Straßburg 1914, 2. Aufl. S. 296).
66) Phot. Gargioli und C. Mariotti, Ascoli Piceno,
Bergamo 1913, S. 61. Diese Statuen kommen wegen ihres
barbarischen Aussehens, ihrer starken Zurückgebliebenheit
(man beachte die Ungelöstheit der Beine, das Bestreben
durch vorgestellte Bäume die Nacktheit zu bedecken) für
unsere Ausführungen nicht in Betracht.
Oswald von Kutschera-Woborsky Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges
trotz aller Schemen überlieferter Kalenderillustrationen dem vertrauten Anblicke römischer
Soldatengräber (man vergleiche die Bewaffnung) unterworfen war63) und dessen Neben-
figur, der ins Horn stoßende nackte Knabe, der in heftiger Beweg-ung mit fliegenden
Haaren herbeieilt, an die Vorlage einer antiken Bronzestatuette denken läßt (Fig. 25).
Hauptsächlich aber jenes Phänomen, daß der Meister Radovan in dem schmuckreichen
(Eig-. Aufn.)
Fig. 19 Trau, Domportal: Details aus den linken Leibungspfeilern
Gefüge seines Werkes die Figuren der ersten Eltern in völliger Nacktheit abbildete, jene
höchst merkwürdige Erscheinung, die, vor Niccolo Pisano und beinahe um ein Jahrhundei’t
früher als eine fälschlich zur Domkanzel Giovanni Pisanos gerechnete Tugendgestalt64)
entstanden, fast völlig vereinzelt dasteht (Fig. 26—28). Denn während die den gleichen
Vorwurf illustrierenden Portalfiguren des Domes zu Lodi65) noch bekleidet dargestellt
wurden, so gewährt -—• mit Ausnahme zweier
63) Vergleichsmaterial und „Rekonstruktionen“ bei
F. Koepp, Die Römer in Deutschland, Bielefeld und Leipzig
1912. Hofmann a. a. O. passim.
G4) Vgl* über Supinos Zuweisung der Figuren an Tino
da Camaino (wogegen Bertaux sich wendete) Julius von
Schlosser, Jahrbuch d. Allerhöchst. Kaiserh., Bd. XXIV,
S. 141 f. v. Schlosser betont den von der mediceischen
Venus vertretenen Typus der antiken Vorlage; (dort
auch die Ausführung literarischer Stellen über antike
Funde, die damit in Verbindung gesetzt werden könnten:
Die bekannte Erzählung Ghibertis und die Nachricht
Statuen in St. Agostino zu Ascoli Piceno66) —■
des Dante-Kommentars des Benvenuto Rambaldi [Ende
des XIV. Jhs.]).
65) Diego d’ Ambrogio, Lodi Vecchio, Milano 1895,
tav. XXVIII. Ebensowenig in Rheims (Weese, Die Barn-
berger Domskulpturen, Straßburg 1914, 2. Aufl. S. 296).
66) Phot. Gargioli und C. Mariotti, Ascoli Piceno,
Bergamo 1913, S. 61. Diese Statuen kommen wegen ihres
barbarischen Aussehens, ihrer starken Zurückgebliebenheit
(man beachte die Ungelöstheit der Beine, das Bestreben
durch vorgestellte Bäume die Nacktheit zu bedecken) für
unsere Ausführungen nicht in Betracht.