Oswald von Kutscheb.a-'Woborsky Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges
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nur die Bamberger Adamspforte einige Analogien
(Fig. 29). Zwei an geographisch weit entfernten Orten
auftretende Statuengruppen, deren gemeinsame und
vorbilderentbehrende Lösung eines Problems schon die
fast zusammenfallende Ansetzung ihrer Entstehung als
voneinander unabhängig bezeichnen muß67). Wie über-
dies das Kunstwollen, das diese beiden Gruppen schuf,
auf divergierende Voraussetzungen fußend68), höchst
verschiedene Resultate gezeitigt hat. Denn die Bam-
berger Aktfiguren stellen sich als qualitätsreichere
Arbeit eines Künstlers dar, der, ihnen signoril-erhabenes
Wesen verleihend, versuchte, einzelne und selbst ge-
sehene Naturbeobachtungen zu verwerten und dessen
vornehmlichstes Hauptverdienst die fast vollständige
Befreiung' der Figuren von den sie tragenden Pfeilern
und die tatkräftig ins Werk gesetzte Loslösung der
Extremitäten vom Leibe bedeutet. Und gerade in
diesem starken (vielleicht nicht absoluten) Herausgehen
aus den Traditionen veralteter Schemen liegt ihre un-
abschätzbare Bedeutung'. Daß aber dieses erste Ex-
periment manche Befangenheit verriet, hing naturgemäß
mit einem derartigen Wagnisse zusammen. Diese Un-
zulänglichkeiten erstrecken sich aber keineswegs auf
das technische Können des Meisters, sondern lagen in
den noch geringen Kenntnissen des anatomischen Körperaufbaues, die eine Unter-
scheidung der beiden Geschlechter nur äußerlich und kaum verstanden anzudeuten fähig
waren. Dem Trauriner Meister hatte dageg'en die Größe und technische Gewandtheit des
Bamberger Bildhauers gefehlt, was den ersten höchst zurückgebliebenen Eindruck seiner
Figuren (die im allgemeinen, etwa im Vergleich zu den prächtigen Atlantengestalten nicht
den vollkommensten Teil des Portalschmuckes vertreten) bewirkt. Näher besehen aber äußern
sich zumal in der Evafigur manche Einzelheiten, deren Vorkommen nur aus dem unleugbaren
Vorliegen einer antiken Venusstatue erklärt werden muß. Die beistehende Abbildung
der im Museum der apulischen Stadt Lucera verwahrten Aphrodite69) — die aber, erst 1872
gefunden, nicht unmittelbar herangezogen werden darf70) — gibt auf das glücklichste wieder,
67) Dies gegen die von Jackson, Dalmatia, the Quar-
nero and Istria, Oxford 1887, vol. II, S. 153 ff, vorgeschla-
gene Ableitung, die eine Abhängigkeit der Architektur des
Doms von Trau von der gleichzeitigen und späteren (Kathe-
drale von St. Jak) Bautätigkeit in Ungarn propagierte. Letztere
war nach den neuen Untersuchungen größtenteils das Re-
sultat jener Verpflanzung der französisch-deutschen Kunst
Bambergs, die über Niederösterreich (Riesenportal der Wie-
ner Stefanskirche) nach Ungarn gelangte (vgl. den Aufent-
halt Villard d’Honecourts in Ungarn). Franz Ottmann, Die
romanischen Skulpturen am Riesentor der Wiener Stefans-
kirche, Jahrb. der Zentral-Kommission N. F. III 1905,
S. 8 ff.
68) Im Gegensatz zur ikonographischen Bedeutung bei-
der Figurengruppen, die höchstwahrscheinlich — wie dies
in der erwähnten Arbeit ausgeführt werden soll — in den
gleichen Gedanken ihren Ursprung hat und deren Ausfüh-
rung bei Weese vermißt wird.
69) Die ebenfalls den Typus der mediceischen Venus
vertritt. Pagenstecher a. a. O. S. 49. Eine Vorderansicht
der Figur in Guide regionali illustrate.. . del Touring Club
italiano, Puglie, S. 13.
70) Es könnten möglicherweise auch kleindimensionale
Bronzestatuetten mit Vorgelegen haben. Vgl. Luigi Milani,
II Motivo ed il tipo della Venere dei Medici ... Strenna
Helbigiana. Lipsiae 1900, S. 188 f.
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nur die Bamberger Adamspforte einige Analogien
(Fig. 29). Zwei an geographisch weit entfernten Orten
auftretende Statuengruppen, deren gemeinsame und
vorbilderentbehrende Lösung eines Problems schon die
fast zusammenfallende Ansetzung ihrer Entstehung als
voneinander unabhängig bezeichnen muß67). Wie über-
dies das Kunstwollen, das diese beiden Gruppen schuf,
auf divergierende Voraussetzungen fußend68), höchst
verschiedene Resultate gezeitigt hat. Denn die Bam-
berger Aktfiguren stellen sich als qualitätsreichere
Arbeit eines Künstlers dar, der, ihnen signoril-erhabenes
Wesen verleihend, versuchte, einzelne und selbst ge-
sehene Naturbeobachtungen zu verwerten und dessen
vornehmlichstes Hauptverdienst die fast vollständige
Befreiung' der Figuren von den sie tragenden Pfeilern
und die tatkräftig ins Werk gesetzte Loslösung der
Extremitäten vom Leibe bedeutet. Und gerade in
diesem starken (vielleicht nicht absoluten) Herausgehen
aus den Traditionen veralteter Schemen liegt ihre un-
abschätzbare Bedeutung'. Daß aber dieses erste Ex-
periment manche Befangenheit verriet, hing naturgemäß
mit einem derartigen Wagnisse zusammen. Diese Un-
zulänglichkeiten erstrecken sich aber keineswegs auf
das technische Können des Meisters, sondern lagen in
den noch geringen Kenntnissen des anatomischen Körperaufbaues, die eine Unter-
scheidung der beiden Geschlechter nur äußerlich und kaum verstanden anzudeuten fähig
waren. Dem Trauriner Meister hatte dageg'en die Größe und technische Gewandtheit des
Bamberger Bildhauers gefehlt, was den ersten höchst zurückgebliebenen Eindruck seiner
Figuren (die im allgemeinen, etwa im Vergleich zu den prächtigen Atlantengestalten nicht
den vollkommensten Teil des Portalschmuckes vertreten) bewirkt. Näher besehen aber äußern
sich zumal in der Evafigur manche Einzelheiten, deren Vorkommen nur aus dem unleugbaren
Vorliegen einer antiken Venusstatue erklärt werden muß. Die beistehende Abbildung
der im Museum der apulischen Stadt Lucera verwahrten Aphrodite69) — die aber, erst 1872
gefunden, nicht unmittelbar herangezogen werden darf70) — gibt auf das glücklichste wieder,
67) Dies gegen die von Jackson, Dalmatia, the Quar-
nero and Istria, Oxford 1887, vol. II, S. 153 ff, vorgeschla-
gene Ableitung, die eine Abhängigkeit der Architektur des
Doms von Trau von der gleichzeitigen und späteren (Kathe-
drale von St. Jak) Bautätigkeit in Ungarn propagierte. Letztere
war nach den neuen Untersuchungen größtenteils das Re-
sultat jener Verpflanzung der französisch-deutschen Kunst
Bambergs, die über Niederösterreich (Riesenportal der Wie-
ner Stefanskirche) nach Ungarn gelangte (vgl. den Aufent-
halt Villard d’Honecourts in Ungarn). Franz Ottmann, Die
romanischen Skulpturen am Riesentor der Wiener Stefans-
kirche, Jahrb. der Zentral-Kommission N. F. III 1905,
S. 8 ff.
68) Im Gegensatz zur ikonographischen Bedeutung bei-
der Figurengruppen, die höchstwahrscheinlich — wie dies
in der erwähnten Arbeit ausgeführt werden soll — in den
gleichen Gedanken ihren Ursprung hat und deren Ausfüh-
rung bei Weese vermißt wird.
69) Die ebenfalls den Typus der mediceischen Venus
vertritt. Pagenstecher a. a. O. S. 49. Eine Vorderansicht
der Figur in Guide regionali illustrate.. . del Touring Club
italiano, Puglie, S. 13.
70) Es könnten möglicherweise auch kleindimensionale
Bronzestatuetten mit Vorgelegen haben. Vgl. Luigi Milani,
II Motivo ed il tipo della Venere dei Medici ... Strenna
Helbigiana. Lipsiae 1900, S. 188 f.