2 6
Oswald von Kutschera-Woborsky Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges
seits wie er in einer von dem Hinausragen der Extremitäten scheuenden und unzulänglichen
Befangenheit seiner Frauengestalt jene Gesten verleiht73), die erst der Anblick der Antike
vor jedem Mißverstehen bewahrt.
Es ist selbstverständlich, daß solche Bestrebungen natürlich in der Entwicklung eines
das antike Wesen auf das stärkste betonenden und auf das intensivste aufnehmenden Stiles,
wie ihn ziemlich gleichzeitig die Hofkunst Friedrich II. (in Sizilien und Apulien) und deren
eben vergangene Vorstufen vertraten, ihre gemeinsame Parallele finden mußten, ebenso
wie die unter ähnlichen Verhältnissen erstehenden südfranzösischen Kathedralen derartige
auf der gleichen Basis fußende Verwandtschaftsäußerungen aufweisen74).
Der Prozeß aber, der die hier vorgeführte Darlegung eines sich aufdringenden Weiter-
geltens des antik-einheimischen Kunstvorrates zum Gegenstand gehabt hatte, sollte in Zu-
Fig. 24 Zara, S. Donato: Römischer Rankenfries
kunft, gleichsam den früheren Geber vertretend und für ihn in neuer Stromeinschaltung
einspringend, selbst ausstrahlende Funktion erfüllen. Denn der Meister der viel späteren
Figuren des ersten Elternpaares am Nordportale des Domes zu Sebenico verwaltet nicht
die Errungenschaften, die in diesem Zeiträume an Darstellungsmöglichkeiten und Kentnnis
des nackten Körpers geleistet worden waren, sondern seine Statuen bleiben fast völlig dem
Stile der Schöpfungen Radovans, die sie nachahmen, getreu.
Die intensive Bautätigkeit des XV. Jhs. mit dem Aufkommen bedeutender einheimischer
Künstler (Giorgio da Sebenico . . .), die sowohl im Inlande als in Italien wirkten, und mit
Berufung ausgezeichneter Kräfte aus der Ferne (Bonnino da Milano, Michellozzo [in Ra-
gusa75)] . . .) ist in jüngster Zeit von zwei Wiener Forschern in äußerst eingehenden und
instruktiven Untersuchungen behandelt worden76). In ihrer starken Abhängigkeit von der
73) Vgl. die die Brust verhüllende Geste des linken Armes
an der Venusstatue und die Anpressung des Armes an den Leib
der Evafigur (unterhalb der Brust). Die Hand hier nicht leicht
geöffnet gelöst, sondern fest an dem Oberarm der Linken angelegt.
74) Vgl. den mit der Dekorationsart der Trauriner
Leibungspfeiler sehr verwandten Rankenschmuck in Saint
Gilles. (Baum, Romanische Baukunst in Frankreich, Stutt-
gart 1910, S. 119 ff.)
15) Über die kulturellen Verhältnisse (Literatur) und
die wissenschaftlichen Beziehungen Ragusas mit Italien
während des XV. Jhs. vgl. ReiSetar, Archiv für slawische
Philologie, Bd. XIX und andere Bände. Über den da-
maligen Bischof von Ragusa Antonio degli Agli aus Florenz
und über seinen früheren Auftrag an die Künstlerfamilie
der Robbia für die Imprunetakirche vgl. Schubring, Luca
della Robbia, Bielefeld und Leipzig I905 S. 60. Derselbe,
Ausgabe d. Vesp. da Bisticci a. a. O. S. 142 (dort auch Nach-
richten über den früheren Ragusaner Bischof, den Gründer
der Abtei von Fiesoie).
76) Folnesics, Studien zur Entwicklungsgeschichte der
Architektur und Plastik des XV. Jhs. in Dalmatien, Jahrbuch
derZentralkommission 1914.Derselbe, Monatshefte für Kunst-
wissenschaft, 1915, S. 187 ff. Dagobert Frey, Der Dom von
Sebenico und sein Baumeister, Giorgio Orsini, Jahrbuch
der Zentralkommission 1913. Derselbe, Monatshefte für
Kunstwissenschaft 1916, S. 39 ff.
Oswald von Kutschera-Woborsky Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges
seits wie er in einer von dem Hinausragen der Extremitäten scheuenden und unzulänglichen
Befangenheit seiner Frauengestalt jene Gesten verleiht73), die erst der Anblick der Antike
vor jedem Mißverstehen bewahrt.
Es ist selbstverständlich, daß solche Bestrebungen natürlich in der Entwicklung eines
das antike Wesen auf das stärkste betonenden und auf das intensivste aufnehmenden Stiles,
wie ihn ziemlich gleichzeitig die Hofkunst Friedrich II. (in Sizilien und Apulien) und deren
eben vergangene Vorstufen vertraten, ihre gemeinsame Parallele finden mußten, ebenso
wie die unter ähnlichen Verhältnissen erstehenden südfranzösischen Kathedralen derartige
auf der gleichen Basis fußende Verwandtschaftsäußerungen aufweisen74).
Der Prozeß aber, der die hier vorgeführte Darlegung eines sich aufdringenden Weiter-
geltens des antik-einheimischen Kunstvorrates zum Gegenstand gehabt hatte, sollte in Zu-
Fig. 24 Zara, S. Donato: Römischer Rankenfries
kunft, gleichsam den früheren Geber vertretend und für ihn in neuer Stromeinschaltung
einspringend, selbst ausstrahlende Funktion erfüllen. Denn der Meister der viel späteren
Figuren des ersten Elternpaares am Nordportale des Domes zu Sebenico verwaltet nicht
die Errungenschaften, die in diesem Zeiträume an Darstellungsmöglichkeiten und Kentnnis
des nackten Körpers geleistet worden waren, sondern seine Statuen bleiben fast völlig dem
Stile der Schöpfungen Radovans, die sie nachahmen, getreu.
Die intensive Bautätigkeit des XV. Jhs. mit dem Aufkommen bedeutender einheimischer
Künstler (Giorgio da Sebenico . . .), die sowohl im Inlande als in Italien wirkten, und mit
Berufung ausgezeichneter Kräfte aus der Ferne (Bonnino da Milano, Michellozzo [in Ra-
gusa75)] . . .) ist in jüngster Zeit von zwei Wiener Forschern in äußerst eingehenden und
instruktiven Untersuchungen behandelt worden76). In ihrer starken Abhängigkeit von der
73) Vgl. die die Brust verhüllende Geste des linken Armes
an der Venusstatue und die Anpressung des Armes an den Leib
der Evafigur (unterhalb der Brust). Die Hand hier nicht leicht
geöffnet gelöst, sondern fest an dem Oberarm der Linken angelegt.
74) Vgl. den mit der Dekorationsart der Trauriner
Leibungspfeiler sehr verwandten Rankenschmuck in Saint
Gilles. (Baum, Romanische Baukunst in Frankreich, Stutt-
gart 1910, S. 119 ff.)
15) Über die kulturellen Verhältnisse (Literatur) und
die wissenschaftlichen Beziehungen Ragusas mit Italien
während des XV. Jhs. vgl. ReiSetar, Archiv für slawische
Philologie, Bd. XIX und andere Bände. Über den da-
maligen Bischof von Ragusa Antonio degli Agli aus Florenz
und über seinen früheren Auftrag an die Künstlerfamilie
der Robbia für die Imprunetakirche vgl. Schubring, Luca
della Robbia, Bielefeld und Leipzig I905 S. 60. Derselbe,
Ausgabe d. Vesp. da Bisticci a. a. O. S. 142 (dort auch Nach-
richten über den früheren Ragusaner Bischof, den Gründer
der Abtei von Fiesoie).
76) Folnesics, Studien zur Entwicklungsgeschichte der
Architektur und Plastik des XV. Jhs. in Dalmatien, Jahrbuch
derZentralkommission 1914.Derselbe, Monatshefte für Kunst-
wissenschaft, 1915, S. 187 ff. Dagobert Frey, Der Dom von
Sebenico und sein Baumeister, Giorgio Orsini, Jahrbuch
der Zentralkommission 1913. Derselbe, Monatshefte für
Kunstwissenschaft 1916, S. 39 ff.