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Oswald von, Kutschera-Woborsky Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges
ihren Beigaben (Stock, Mantel und Hut)80) im Volke so lebhaft mit der Vorstellung
des heiligen Rochus sich verknüpft hatte, daß ihre von der Geistlichkeit zu nächtlicher
Stunde vorgenommene Entfernung einen kleinen Aufstand der Bevölkerung hervorge-
rufen hätte81). Und sogar ein im Zentrum der Stadt Spalato an der Außenseite der
Kirche Sto. Spirito eingemauertes, von einer antiken Stele stammendes Relief gilt mit
seinen drei kleinen Porträtbüsten noch heute im Volksmunde als die Abbildung der „Tre
Marie“82). Derartige Anschauungen, die das Unterscheiden heidnischer und christlicher
Simulacra nicht fähig waren und in den altgewohnten Antikaglien in sonderbarster Zu-
Fig. 30 Zara, S. Donato: Römisches Relief
rechtlegung und instinktiver Verehrungsprojektion die Repräsentanten ihrer eigenen
Religion zu sehen vermeinten, konnten in der Tat vor manchen antiken Kompositionen
mitunter reichlich Nahrung finden. Ein zufällig in eine Kirchenmauer eingelassenes Relief
von dem Aussehen des neben abgebildeten des Museums von Zara83) (Fig. 30) ließ die An-
sprechung der Reiterfigur84) als den heiligen Georg (für Zara natürlich S. Grisogono)
unschwer zu, während das Brustbild der verhüllten Matrone wenig von jenem Typus sich
entfernt, den die Barockkunst etwa der heiligen Anna verliehen hatte. Sollte nun unser
Giovanninorelief nur eine christliche Metamorphose darstellen, ein von keiner heidnisch-
profanen Hand (fast mit Fälscherabsicht) gefertigtes Werk, das mit einer Ärgernis er-
Ungarn, Wien 1885, S.36. Beide Berichte schon erwähnt bei
J. v. Schlosser, Jahrb. des Allerh. Kaiserin XVIII, S. 97-
80) Diese Attribute kommen öfters auch auf römischen
Privatgrabmälern vor. Vgl. Weygandt, Bonner Jahrbücher
1902, S. 222.
81) Also etwa die Umkehrung zu jener, in dem Tage-
buch des Stefano Infessura (ed. H. Hefele, Jena 1913, S. 90)
berichteten Geschichte, die erzählt, wie die Sienesen, in der
Verlegenheit die großen Verdienste eines ihrer Feldherren
am würdigsten belohnen zu können, den Beschluß faßten.
denselben zu töten und als Heiligen und Schutzpatron zu
verehren.
82) Jelic, Bulic a. a. O. 213. Vielleicht wäre es ange-
zeigt, den antiken Ursprung dieses Stückes noch näher zu
überprüfen.
83) Führer durch das k. k. Staatsmuseum in S. Donato
in Zara, Wien 1912, S. 146 (Fundort nicht angegeben).
84) Über die Abbildung solcher Reiterfiguren vgl.
Schröder, Bonner Jahrb. 1906, S. 48, und Jahreshefte des
österr. archäolog. Institutes XII, S. 225 f.
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Oswald von, Kutschera-Woborsky Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges
ihren Beigaben (Stock, Mantel und Hut)80) im Volke so lebhaft mit der Vorstellung
des heiligen Rochus sich verknüpft hatte, daß ihre von der Geistlichkeit zu nächtlicher
Stunde vorgenommene Entfernung einen kleinen Aufstand der Bevölkerung hervorge-
rufen hätte81). Und sogar ein im Zentrum der Stadt Spalato an der Außenseite der
Kirche Sto. Spirito eingemauertes, von einer antiken Stele stammendes Relief gilt mit
seinen drei kleinen Porträtbüsten noch heute im Volksmunde als die Abbildung der „Tre
Marie“82). Derartige Anschauungen, die das Unterscheiden heidnischer und christlicher
Simulacra nicht fähig waren und in den altgewohnten Antikaglien in sonderbarster Zu-
Fig. 30 Zara, S. Donato: Römisches Relief
rechtlegung und instinktiver Verehrungsprojektion die Repräsentanten ihrer eigenen
Religion zu sehen vermeinten, konnten in der Tat vor manchen antiken Kompositionen
mitunter reichlich Nahrung finden. Ein zufällig in eine Kirchenmauer eingelassenes Relief
von dem Aussehen des neben abgebildeten des Museums von Zara83) (Fig. 30) ließ die An-
sprechung der Reiterfigur84) als den heiligen Georg (für Zara natürlich S. Grisogono)
unschwer zu, während das Brustbild der verhüllten Matrone wenig von jenem Typus sich
entfernt, den die Barockkunst etwa der heiligen Anna verliehen hatte. Sollte nun unser
Giovanninorelief nur eine christliche Metamorphose darstellen, ein von keiner heidnisch-
profanen Hand (fast mit Fälscherabsicht) gefertigtes Werk, das mit einer Ärgernis er-
Ungarn, Wien 1885, S.36. Beide Berichte schon erwähnt bei
J. v. Schlosser, Jahrb. des Allerh. Kaiserin XVIII, S. 97-
80) Diese Attribute kommen öfters auch auf römischen
Privatgrabmälern vor. Vgl. Weygandt, Bonner Jahrbücher
1902, S. 222.
81) Also etwa die Umkehrung zu jener, in dem Tage-
buch des Stefano Infessura (ed. H. Hefele, Jena 1913, S. 90)
berichteten Geschichte, die erzählt, wie die Sienesen, in der
Verlegenheit die großen Verdienste eines ihrer Feldherren
am würdigsten belohnen zu können, den Beschluß faßten.
denselben zu töten und als Heiligen und Schutzpatron zu
verehren.
82) Jelic, Bulic a. a. O. 213. Vielleicht wäre es ange-
zeigt, den antiken Ursprung dieses Stückes noch näher zu
überprüfen.
83) Führer durch das k. k. Staatsmuseum in S. Donato
in Zara, Wien 1912, S. 146 (Fundort nicht angegeben).
84) Über die Abbildung solcher Reiterfiguren vgl.
Schröder, Bonner Jahrb. 1906, S. 48, und Jahreshefte des
österr. archäolog. Institutes XII, S. 225 f.
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