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Oswald von Kutschera-Woborsky Das Giovanninorelief des Spalatiner Vorgebirges


Fig. 39 Reliet an der Rampe der Domkirche zu Gemona
Die Attribute also (welche die „heiligen“ Figuren des Reliets auszeichnen), die Lilie
und die zwei etwas stilisiert gehaltenen Rosen, bekamen die Funktion von redenden Ab-
zeichen, die teils durch Zufall wie die Lilie des hl. Fiorenzo (Florenz — Stadtwappen)
schon gegeben waren, teils aber durch die Interpretation der Rosen in der Hand der zweiten
Person als Weintrauben mit dem Namen des hl. Vendemiale in Beziehung gesetzt wurden.
So konnten diese Attribute den unterschobenen Inhalt der Grabstele ganz nach Wunsch
unterstützen. Luigi Coletti hat nun mit guter Beobachtung dargeleg't, wie die Stichabbildung
in Avogaros Werk, die Giampicolli nach einer Zeichnung Guaranas verfertigt hat, nicht nur
diese Details in einer der Tradition entgegenkommenden Weise zur Abbildung brachte,
sondern wie auch andere Einzelheiten wie der „Segensgestus“ (der von Avogaro im Texte
behauptet, von Guarana graphisch vorgeführt wird) die Anzeichen einer späteren, höchst
merkwürdigen Zurechtlegung bilden und wie endlich der Stich dem hl. Vendemiale einen
bärtigen (christusartigen) Typus verleiht, der dem Steinoriginal völlig fremd ist.
Coletti kommt zu folgender Schlußfolgerung: Man würde wohl nicht fehl gehen, wenn
man in diesen Skulpturen nicht die Abbildung der beiden Heiligen sähe, wie es die Tra-
dition vermeinte. Der Stein sei voraussichtlich nichts als eine gewöhnliche heidnische Grab-
stele zweier jung verstorbener Brüder, deren Attribute (Lilie und Rosen) ihre Jugend
versinnbildlichen sollten.
Soweit Coletti. — Was wir aus seinem Bericht als Gewinn ziehen können, ist fürs erste
die gut verfolgbare Tradition, die diese Inhaltswandlung, diese bestimmte Fixierung eines
unpersönlichen Dinges auf ganz konkrete Vorstellungen, als bis weit in die Jahrhunderte
 
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