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E. Tietze-Conrat Beiträge zur Geschichte der italienischen »Spätrenaissance- und Barockskulptur

Dimensionen wiederholt eine Elfenbeinschnitzerei (Fig. 56) des Hofmuseums die Bronze-
komposition26).
Bei der Elfenbeingruppe27) mit ihrem reichen maritimen Beiwerk stellt sich das Be-
dürfnis besonders stark ein, in der genremäßigen Szene, in der namenlosen athletischen
Vorführung irgend einen Stoff der Mythologie eingesponnen zu finden. Doch es gibt eine
Variante zu den Ringerinnen der Wallace Collection in einer Gruppe des Grünen Gewölbes
in Dresden und diese steht nicht vereinzelt da, sondern ihre genremäßige Bedeutung wird
durch ihr Pendant, ringende Männer, sichergestellt (Sale Gurney, London 1898, Nr. 559,
i6Y2 inches hoch, französisch, XVII. Jh.). Zu dieser männlichen Ringergruppe, deren rein
athletische Vorführung uns ganz selbstverständlich
scheint, wurde die andere als Pendant gearbeitet.
Welche Gruppe war das Vorbild, die in Bronze
oder die in Elfenbein? Schon durch den Zusammen-
hang mit der männlichen Gruppe ist die Bronze der
Ringerinnen als Vorbild bestimmt. Und auch durch
den freien Habitus der Bronze und den lahmen der
Schnitzerei, durch den handwerklichen Charakter
dieses Materials überhaupt, das schon wegen seiner
schwierigen mühseligen Bearbeitung sich aner-
kannter Vorlagen zu bedienen pflegt. Die Vor-
führung der beiden Stücke ist auch von einiger
methodischer Bedeutung; denn gewöhnlich sieht
man in dem reicheren Werk die erste Fassung-,
nach der die zweite, gekürzte Wiederholung her-
gestellt wird; in diesem Falle aber wird die Wieder-
holung gegen das Original bereichert. Das ist in
ihrem Material vollauf begründet, Elfenbein ist so
spröde, in seiner artistischen Meisterung bewährt
sich der Schnitzer; das kleinliche Beiwerk ist sein
Beitrag zu dem fremden Concetto.
Ein ähnliches Problem bringt das Verhältnis
einer Bronzefigur im Besitze Pierpont Morgans, die
Bode in seinen Bronzestatuetten auf T. CXCV ver-
öffentlicht (Fig. 57), zu einer kleinen Steinfigur28)
unseres Hofmuseums, (Fig. 58).
Die Bronze: Über langovaler Basisplinthe eine lagernde Frau; die Knie sind ihr tiefster
Punkt; zu den Füßen hin steigt die Linie ein wenig über eine Draperie und andere Attri-
bute; zum Oberkörper zu hebt sich der Aufbau über einer Kugel, die die Draperie deckt,
und geschichteten Büchern. Die Frau hat den Körper zur angenehmsten dauernden Lage
gedreht; die etwas aufgezogenen Knie entlasten den Oberkörper, die Hüften sind noch
nicht in die Bauchlage gewendet, den Oberkörper trägt der linke unbewegliche Arm, der
2G) Ich bringe Fig. 55 nach dem Exemplar der 27) v. Schlosser, Werke der Kleinplastik, 2. Bd. Ring-
Wallace Collection in Bodes Bronzestatuetten der ital. kampf zweier nackter Nymphen (17-2 cm hoch).
Renaissance, CCXVIII. Italienisch-niederländisch, Ende des 23) v. Schlosser, Werke der Kleinplastik, I. Bd., T. UI,
XVI. Ihs. Text S. 20. Marmorstaluette, 8-5 cm hoch.


Fig.55 Bronzegruppe in der Wallace Collection
(nach v. Bode, Bronzestatuetten der ital. Ren.)
 
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