7° E. Tietze-Conrat Beiträge zur Geschichte der italienischen Spätrenaissance- und Barockskulptur
Fig. 61 Brunnen des Erzherzog Leopold von Tirol
dem Stierkopf und der g-eilüg'elten Halbfigur des Augustusbrunnens auf ein — vielleicht
indirektes — Schülerverhältnis des Graß zu Hubert Gerhart zurück. Aber weder von diesem
noch von irgend einem anderen deutschen Künstler konnte er die Komposition des Reiter-
denkmals lernen. Es war auch nicht üblich, daß die fürstlichen Besteller ihre heimat-
lichen Bildhauer zu diesem Werk gebrauchten; sie wandten sich nach Italien, an die
berühmte Bottega in Florenz, dort bestellten sie erst bei Bologna, dann bei Francavilla,
Tacca und Francesco Susini die großen Cavalli für die Denkmäler auf den Plätzen, die
kleinen für ihre e'g'enen Kunstkammern und für Geschenke an die Verwandten und be-
freundete Herren. Adriaen de Vries, der niederländisch-florentinische Bildhauer, hat sich auch
bisweilen in diesem Zweig betätigt, ohne wie Francesco Susini ins Handwerkliche zu verfallen37).
Solch ein florentinisches Cavallo muß dem Caspar Graß als Muster Vorgelegen sein.
1624 waren die meisten Figuren schon fertig, in einem Brief vom 1. November 1627 heißt
es, daß Caspar Graß „nun mehr die Pilder so auf den Phrunnen khamen ganz mit den ver-
schneiden verferdigt, außer daß Ross; die Figur aber darauf soweit possiert, daß Er jeez wax
nottwendig darzue hat“. Nach dieser Nachricht ist wohl die Annahme berechtigt, daß das
37) Justi, Zeitschrift für bildende Kunst, XVIII. und XXI. Bd., J. v. Schlosser, Bildnerwerkstatt, a. a. O., und
Werke der Kleinkunst, Text zu Tafel XXXVIII. — Diese 1916 niedergeschriebene Hypothese möchte ich trotz Peltzers
in „Kunst und Kunsthandwerk“ 1918, H. 3/4 über H. Gerhart erschienenem Aufsatz aufrecht halten.
Fig. 61 Brunnen des Erzherzog Leopold von Tirol
dem Stierkopf und der g-eilüg'elten Halbfigur des Augustusbrunnens auf ein — vielleicht
indirektes — Schülerverhältnis des Graß zu Hubert Gerhart zurück. Aber weder von diesem
noch von irgend einem anderen deutschen Künstler konnte er die Komposition des Reiter-
denkmals lernen. Es war auch nicht üblich, daß die fürstlichen Besteller ihre heimat-
lichen Bildhauer zu diesem Werk gebrauchten; sie wandten sich nach Italien, an die
berühmte Bottega in Florenz, dort bestellten sie erst bei Bologna, dann bei Francavilla,
Tacca und Francesco Susini die großen Cavalli für die Denkmäler auf den Plätzen, die
kleinen für ihre e'g'enen Kunstkammern und für Geschenke an die Verwandten und be-
freundete Herren. Adriaen de Vries, der niederländisch-florentinische Bildhauer, hat sich auch
bisweilen in diesem Zweig betätigt, ohne wie Francesco Susini ins Handwerkliche zu verfallen37).
Solch ein florentinisches Cavallo muß dem Caspar Graß als Muster Vorgelegen sein.
1624 waren die meisten Figuren schon fertig, in einem Brief vom 1. November 1627 heißt
es, daß Caspar Graß „nun mehr die Pilder so auf den Phrunnen khamen ganz mit den ver-
schneiden verferdigt, außer daß Ross; die Figur aber darauf soweit possiert, daß Er jeez wax
nottwendig darzue hat“. Nach dieser Nachricht ist wohl die Annahme berechtigt, daß das
37) Justi, Zeitschrift für bildende Kunst, XVIII. und XXI. Bd., J. v. Schlosser, Bildnerwerkstatt, a. a. O., und
Werke der Kleinkunst, Text zu Tafel XXXVIII. — Diese 1916 niedergeschriebene Hypothese möchte ich trotz Peltzers
in „Kunst und Kunsthandwerk“ 1918, H. 3/4 über H. Gerhart erschienenem Aufsatz aufrecht halten.