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Rudolf Gtjby Die Stiftskirchen zu Wilhering und Engelszell

”4
Zum Schlüsse möchte ich noch eine Nachricht des Engelszeller Chronisten44) richtig-
stellen, wonach „alle Statuen in der Kirche von dem Bildhauer Zauner von Wien“ stammen
sollen. Franz Anton Zauner ist 1746 geboren und war 1756—1766 bei seipem Onkel, dem
Bildhauer Josef Deutschmann zu St. Nicola nächst Passau in der Lehre45). Zur Zeit der Ver-
fertigung der Statuen für Engelszell
war also Zauner nicht in Wien, er
war auch noch lange nicht der „be-
rühmte“ Bildhauer, sondern der Lehr-
ling oder Geselle seines Onkels. Un-
sere vorausgehenden Untersuchungen
schließen die Autorschaft Zauners an
den Altarfiguren an und für sich aus,
ganz abgesehen davon, daß weder
Deutschrfiann noch Zauner sich je als
Stukkatoren betätigten.
Der Chronist hat seine Nachricht
aus einer handschriftlichen, im Pfarr-
archiv zu Engelszell befindlichen alten
„Beschreibung des Gotteshauses zu
Engelszell an der Donau“ entnommen.
Diese Beschreibung wurde nach Auflösung des Klosters abgefaßt, denn sie spricht
bereits von den „ehemaligen Religiösen“. Nach dem Urteile des verstorbenen Engels-
zeller Pfarrherrn Neisser, der in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts das Pfarr-
archiv inventierte, stammt die Beschreibung aus dem Jahre 1812, eine Datierung,
welche nach dem Schriftcharakter, dem Papier und nach der ganzen Diktion des Schrift-
stückes sehr wahrscheinlich ist. Die Beschreibung zählt die Statuen der Kirche auf und
schließt die Aufzählung mit den Worten: „. . . . in besonderen Nisch die Statuen der 4 hl.
Erzengel“. Neben diesen Worten ist von derselben Hand, jedoch mit anderer Tinte und in
kleinerer Schrift hineinkorrigiert: „Die Statuen in der Kirche sind alle von dem berühmten
Statuarius Zauner in Wien gefertiget“. Bei der Aufzeichnung dieser Nachricht schöpfte der
Verfasser der „Beschreibung“ sicher aus einer bestehenden Tradition, die wohl schon aus
dem Grunde nicht ohneweiters abgetan werden kann, weil ja Zauner (gestorben 1822) zur
Zeit der Aufzeichnung noch gelebt haben dürfte. Es kann daher nur ein Irrtum des Ver-
fassers der „Beschreibung“ oder eine Ungenauigkeit der Tradition, auf die er sich stützte,
vorliegen, indem die Figuren, welche Zauner für Engelszell verfertigte, unrichtig bezeichnet
wurden. Auf mein Ersuchen wurden sämtliche Figuren der Kirche durch das Pfarramt in
Engelszell46) untersucht. Die Bohrproben bestätigten meine Vermutung, denn es stellte sich
heraus, daß nicht alle Figuren aus Stuckmasse verfertigt, sondern daß die Statuen der vier
Erzengel (Fig. 97) aus Holz geschnitzt sind. Wie schon erwähnt, wurde aber Stuck weder
von Zauner noch Deutschmann je verwendet, während umgekehrt die Wessobrunner nicht
in Holz arbeiteten.
44) Vgl. oben! 46) Ich danke Herrn Ptarrer Albert Böhmdörfler in
45) Hermann Burg, „Der Bildhauer Franz Anton Engelszell für seine liebenswürdige Unterstützung auch an
Zauner“, Wien 1915. dieser Stelle herzlichst.


Fig. 96 Engelszell, ehemalige Stiftskirche: Empore
 
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