Rudolf Guby Die Stiftskirchen zu Wilhering und Engelszell
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Der Materialbefund schließt somit aus, daß die Figuren der Altäre und die Statuen
der Erzengel von demselben Meister stammen. Dieser Schluß findet in dem durchaus ver-
schiedenen Charakter der Altar- und Nischenfiguren eine weitere Bestätigung. Damit er-
fährt aber die Nachricht des Verfassers der „Beschreibung“ ihre Richtigstellung beziehungs-
weise Einschränkung und wir können die Figuren
der Erzengel als die gesuchten Werke Zauners
betrachten (Fig. 97).
Die Figuren sind keine besonders hervorragen-
den Leistungen. Sie sind noch ganz im Charakter
der barocken Kunst gearbeitet; nur die Drapierung
des Gewandes verrät bereits in ihrem bescheidenen
Streben nach Einfachheit, in der Art, wie sich das
Gewand an die Formen des Körpers schmiegt, ein
Heranreifen des neuen Geschmackes. Anlehnungen
an gleichzeitige Arbeiten Josef Deutschmanns sind
zwar unverkennbar47), gehen aber keinesfalls so weit,
daß wir die Statuen nicht als selbständige Werke
des jungen Zauner ansehen dürften. Die Figuren
können nur während des Aufenthaltes Zauners in
Passau zwischen 1756 und 1766 entstanden sein.
Vielleicht konnte Üblherr durch seinen plötzlichen
Tod am 27. April 1763 gerade die Lieferung' der
Nischenfiguren nicht mehr übernehmen. Die Nischen
selbst sind ja noch von den Wessobrunner Stuk-
katoren ausgeziert.
So finden wir in der Engelszeller Kirche neben
der Kunst - der Wessobrunner Meister bereits die
Frühwerke eines der führenden und bedeutendsten Männer jener neuen Geschmacks-
richtung, welche in kurzer Zeit die Kunst des Barocks und Rokoko so gründlich verdrängen
sollte, daß nach weniger als einem Menschenalter die einst viel bewunderten Werke als
Ausbund der Geschmacklosigkeit verachtet und die Namen ihrer Meister vergessen wurden.
Die Wertung der Kunst des Barocks hat sich längst von dem Urteil des Klassizismus frei-
gemacht, aber noch immer ruhen seit jenem Verdammungsurteil ungeheure Schätze aller-
bester deutscher Kunst unerforscht und unbeachtet in Vergessenheit, wie die Stiftskirchen
von Wilhering und Engelszell beweisen48).
Fig. 97 Engelszell, ehemalige Stiftskirche:
Figur des Schutzengels
17) Die diesbezüglichen Untersuchungen muß ich meiner
oben zitierten Arbeit über „Passauer Bildhauer des
XVIII. Jhs.“ Vorbehalten. Es handelt sich vor allem um die
Arbeiten Deutschmanns in der Kirche von Fürstenzell und
in der Schloßkapelle von Thurnstein.
48) Während der Drucklegung des Aufsatzes fand ich
für die Autorschaft Johann Georg Üblherrs an den Engels-
zeller Figuren einen neuen zwingenden Beweis, indem ich
feststellen konnte, daß die Figur der hl. Katharina am
Marienaltar des Doms zu Kempten, also an jenem Ort, wo
Üblherr als Hofstukkateur tätig war, schlagend mit den
Engelszeller Nonnenfiguren übereinstimmt. Näheres hierüber
und Abbildungen wird ein im Münchner Jahrb. d. bild.
Kunst 1918/19 erscheinender Aufsatz bringen, in welchem
ich die bisher unbekannte, künstlerisch hochbedeutende
Tätigkeit Üblherrs in Kempten behandle.
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Der Materialbefund schließt somit aus, daß die Figuren der Altäre und die Statuen
der Erzengel von demselben Meister stammen. Dieser Schluß findet in dem durchaus ver-
schiedenen Charakter der Altar- und Nischenfiguren eine weitere Bestätigung. Damit er-
fährt aber die Nachricht des Verfassers der „Beschreibung“ ihre Richtigstellung beziehungs-
weise Einschränkung und wir können die Figuren
der Erzengel als die gesuchten Werke Zauners
betrachten (Fig. 97).
Die Figuren sind keine besonders hervorragen-
den Leistungen. Sie sind noch ganz im Charakter
der barocken Kunst gearbeitet; nur die Drapierung
des Gewandes verrät bereits in ihrem bescheidenen
Streben nach Einfachheit, in der Art, wie sich das
Gewand an die Formen des Körpers schmiegt, ein
Heranreifen des neuen Geschmackes. Anlehnungen
an gleichzeitige Arbeiten Josef Deutschmanns sind
zwar unverkennbar47), gehen aber keinesfalls so weit,
daß wir die Statuen nicht als selbständige Werke
des jungen Zauner ansehen dürften. Die Figuren
können nur während des Aufenthaltes Zauners in
Passau zwischen 1756 und 1766 entstanden sein.
Vielleicht konnte Üblherr durch seinen plötzlichen
Tod am 27. April 1763 gerade die Lieferung' der
Nischenfiguren nicht mehr übernehmen. Die Nischen
selbst sind ja noch von den Wessobrunner Stuk-
katoren ausgeziert.
So finden wir in der Engelszeller Kirche neben
der Kunst - der Wessobrunner Meister bereits die
Frühwerke eines der führenden und bedeutendsten Männer jener neuen Geschmacks-
richtung, welche in kurzer Zeit die Kunst des Barocks und Rokoko so gründlich verdrängen
sollte, daß nach weniger als einem Menschenalter die einst viel bewunderten Werke als
Ausbund der Geschmacklosigkeit verachtet und die Namen ihrer Meister vergessen wurden.
Die Wertung der Kunst des Barocks hat sich längst von dem Urteil des Klassizismus frei-
gemacht, aber noch immer ruhen seit jenem Verdammungsurteil ungeheure Schätze aller-
bester deutscher Kunst unerforscht und unbeachtet in Vergessenheit, wie die Stiftskirchen
von Wilhering und Engelszell beweisen48).
Fig. 97 Engelszell, ehemalige Stiftskirche:
Figur des Schutzengels
17) Die diesbezüglichen Untersuchungen muß ich meiner
oben zitierten Arbeit über „Passauer Bildhauer des
XVIII. Jhs.“ Vorbehalten. Es handelt sich vor allem um die
Arbeiten Deutschmanns in der Kirche von Fürstenzell und
in der Schloßkapelle von Thurnstein.
48) Während der Drucklegung des Aufsatzes fand ich
für die Autorschaft Johann Georg Üblherrs an den Engels-
zeller Figuren einen neuen zwingenden Beweis, indem ich
feststellen konnte, daß die Figur der hl. Katharina am
Marienaltar des Doms zu Kempten, also an jenem Ort, wo
Üblherr als Hofstukkateur tätig war, schlagend mit den
Engelszeller Nonnenfiguren übereinstimmt. Näheres hierüber
und Abbildungen wird ein im Münchner Jahrb. d. bild.
Kunst 1918/19 erscheinender Aufsatz bringen, in welchem
ich die bisher unbekannte, künstlerisch hochbedeutende
Tätigkeit Üblherrs in Kempten behandle.