Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 2.1884

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Sacken, Eduard von: Zur Gemmenkunde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5610#0029
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur Gemmenkunde.

23

Die Angabe des Abbe Bracci,1 die Aspasios-Gemme sei in der Sammlung de France, ist daher unrichtig.
In dieser befand sich dieselbe Darstellung, aber mit einigen kleinen Verschiedenheiten, in einen Sarder (nach
Eckhel in einen Carneol) geschnitten, der reichlich 5 Mm. höher, 2 Mm. breiter war. Er stammte eben-
falls ■— wenn hier nicht ein Irrthum stattfand — aus der Sammlung Ottoboni, der sonach zwei ähnliche
Steine besass. Aus dieser kaufte ihn der Wiener Baron Gudenus, durch den er in das Cabinet de France
kam. So weit der Beschreiber der Gemmen derselben, F. W. Reiz.2 Eckhel, der doch die Sammlung
de France gewiss kannte, da er deren Münzen beschrieb, sagt ausdrücklich, unsere Gemme sei nicht die des
Musee de France, sondern er habe sie unter vielen anderen des kaiserlichen Cabinets aufgefunden. Er publi-
cirte sie sodann im Jahre 1788 in einer guten, von Kibler gezeichneten, von Mark gestochenen
Abbildung.3

Was die Erklärung der Darstellung anbelangt, so hielten die älteren Autoren, wie Canini, Bellori,
Bracci, verführt durch die Aehnlichkeit des Namens der Inschrift, die Athena für ein Portrait der Aspasia.
Aber schon Menage sagt, 4 er begreife nicht, wie man Aspasios für Aspasia nehmen könne, und meint, der
Künstler habe sich geirrt und Aspasous schreiben wollen, weil die dargestellte Person Aspasos geheissen
habe. Stosch erkennt im Namen den des Künstlers, ebenso Lippert und Gronovius, obwohl die Abbildung
bei Letzterem noch die Unterschrift: Aspasia Periclis Socratis magistra hat, erklärt doch im Texte die
Dargestellte richtig für Minerva und die Aufschrift für den Künstlernamen. Alle späteren Autoren benennen
selbstverständlich die Büste Minerva, Stosch nennt sie Minerva salutifera oder wegen des Schmuckes und
der verschiedenen Helmattribute Panthea, ebenso Reiz; Lippert erkennt in der Ausschmückung des
Helmes egyptische Symbole und Vorstellungen.

Schon Eckhel (p. 45) meint, die Darstellung sei eine Copie nach einer damals in Griechenland be-
rühmten Statue, ohne eine solche näher zu bezeichnen, aber er ahnt den Zusammenhang mit der Parthenos des
Phidias, indem ihm auffällt, dass auch bei dieser Sphinx und Greif am Helme angebracht waren.5 Bestimmter
spricht sich Mi 11 in darüber aus:5 «paroit copiee d'apres le buste de la Minerve de Phidias». Dieser Ansicht
schliessen sich an Visconti und Quatremere de Quincy.7 Letzterer nahm bei seiner Restitution der
Parthenos Haaranordnung und Helmschmuck der Gemme an, nur statt der springenden Flügelpferde an
den Nebencristen liegende Greife, die Ohrenklappen lässt er glatt, Hals- und Ohrenschmuck ganz weg.
Auch bei Anfertigung einer 7 Fuss hohen Parthenos aus Elfenbein und vergoldetem Silber, welche
der kunstsinnige Herzog von Luynes für sein Schloss Dampierre durch M. Simart veranlasste (bei der
Exposition 1855 in Paris ausgestellt) diente die Gemme zum Vorbilde, was einen heftigen Federkrieg
zwischen Beule, der die Berechtigung dazu anfocht, und M. de Calonne, der sie mit Unterstützung
Longperiers und des Duc de Luynes vertheidigte, hervorrief. Für die Ansicht, dass unser Stein eine
Copie der Parthenos des Phidias sei, traten auch Charles und Francois Lenormant ein, letzterer mit
besonderer Wärme und mit ausführlicher Beleuchtung der Frage.8 Er weist noch insbesondere auf die
Aehnlichkeit der Gesichtszüge hin, welche nach seiner Ansicht zwischen der Athena auf der Gemme und
der von ihm aufgefundenen Statuette im Museum des Theseustempels zu Athen, die als eine Copie der
Parthenos anzusehen ist, besteht.

Die von vielen Gelehrten getheilte Ansicht blieb nicht ohne Widerspruch; am entschiedensten durch
Beule,9 der besonders drei Gründe dafür ins Treffen führt: 1. den jüngeren Ursprung des Steines wegen

' Memorie degli antichi incisori.•

2 Musei Franciani descriptio. Lipsiac 1781, I, p. 178, n. io3. Lippert hielt den Stein für modern.

3 Choix de pierres gravees du cab. imp. des antiques, pl. XVIII.

4 Histor. mul. philos. p. 14.

5 Auch in der Doctrina nummorum veterum II, p. 210, deutet er auf diesen Umstand hin.

6 Introduct. dans l'e'tude des pierres gravees, p. 71.

7 Monum. et ouvrages d'art antique restitues d'apres les ecrivains. Paris 1829, I, pl. 1, p. 71. — Auch Barthe-
lcmy, Anacharsis VII, p. 282, weist auf die Uebereinstimmung der Gemme mit der Parthenos hin. Ebenso Levesque
in seinem 1. Excurse zur Uebersetzung des Thukydides.

8 Gazette des beaux arts. 1860, Vol. VIII, p. 214.

9 L'acropole d'Athenes, II, p. 182.
 
Annotationen