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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 2.1884

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I. Theil: Abhandlungen
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Sacken, Eduard von: Zur Gemmenkunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.5610#0030
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Eduard Freiherr von Sacken.

der Form der Buchstaben, namentlich des C, 2. das weichliche, gewöhnliche Profil (über das er aber später
nach Ansicht des Originals anders urtheilte), 3. den Reichthum des Helmschmuckes, der auf die Verfalls-
zeit deuten soll. Auch Köhler1 sprach sich ähnlich aus, weil das Gesicht der Athena auf der Gemme
keine Spur des ernsten Styles des Phidias an sich trage. Diese Einwürfe beheben sich durch die spätere
Entstehungszeit des Intaglio, die aus den oben angeführten und anderen Gründen, von denen später die
Rede sein wird, angenommen werden muss. Einem so feinen Beobachter wie Köhler entging nicht das
Missverhältniss, in dem auf dem Steine der Helm zur Büste steht, und die Ueberladung desselben, welche
bei einer grossen Statue nicht auffällig wäre, während sie beim kleinen Bildwerke störend wirkt. Allein
gerade dieser Umstand hätte ihn zu der entgegengesetzten Ansicht führen müssen, denn er spricht nur für
die im künstlerischen Sinne allzugetreue Nachahmung eines grossen Bildwerkes. Die Künstler, welche die
späteren athenischen Münzen gravirten, liessen aus guten Gründen einige Details weg, was ihren Erzeug-
nissen nur zum Vortheil gereichte. Die chryselephantine Technik bringt aber einen grösseren Reichthum
von Ausschmückung, ein detaillirteres Eingehen auf Zierformen mit sich, als dies bei der Sculptur der Fall
ist, ja sie fordert gerade dazu auf. Gold, das sich so leicht treiben und ciseliren lässt, wird immer zarter
und minutiöser behandelt, es verlockt zur Ausfertigung feinen Schmuckes; grössere Flächen des edlen
glänzenden Stoffes wirken roh und unangenehm. Ebenso fordern die leeren, weissen, spiegelnden Flächen
des Elfenbeins Unterbrechungen. Es ist daher, wie Quatremere, Lenormant und Conze bemerken, reicher
Goldschmuck an der chryselephantinen Statue des Phidias allerdings vorauszusetzen.

Andere Forscher halten sich bei ihrer Vorstellung von der Parthenos streng an die Beschreibung des
Pausanias, ohne über dieselbe hinauszugehen. Daher nimmt Gerhard2 blos die Sphinx und die Greife als
Helmschmuck an, ohne auf die Gemme des Aspasios Gewicht zu legen, die er eher für eine Copie der
Athene Kallimorphos, welche Phidias für die Lemnier gearbeitet hatte, zu halten geneigt wäre, als für die der
athenischen Parthenos. Ebenso Conze,3 der vermuthet, dass auf dem Helme lediglich die Sphinx oben frei
gearbeitet, an der Fläche beiderseits Greife in Reliefs angebracht gewesen seien, zur Annahme weiteren
Schmuckes berechtige die Beschreibung des Pausanias nicht. Auch Michaelis4 neigt sich zu dieser Ansicht
und meint, der Helm habe gar keinen Busch gehabt, den aber doch alle Münzen und Reliefs, sowie die
meisten Statuen zeigen; blos eine Sphinx auf dem Scheitel scheint mir undenkbar, eine solche kann nur
als Trägerin der Crista gedacht werden. Wenn der Perieget vom Helmbusche schweigt, so ist das noch
kein Beweis, dass er gänzlich fehlte, vielmehr scheint er als etwas selbstverständliches vorausgesetzt, wie
die Aegis, die in der Beschreibung auch nicht angeführt wird und doch gewiss vorhanden war, überhaupt
sind in dieser nur einzelne markante Züge hervorgehoben, Anderes ist übergangen.

Das häufige Vorkommen des Motives der Aspasios-Gemme auf antiken geschnittenen Steinen5 spricht
auch dafür, dass es dem hochberühmten Bildwerk entnommen sei, noch mehr aber dessen Ueberein-
stimmung mit dem Pallaskopfe auf den nachperikleischen Münzen Athens, da es doch sehr naheliegend
erscheint, dass man nicht ein beliebiges, sondern das allgemein bekannte und gefeierte Bild der Schutzgöttin
aus ihrem Haupttempel auf diese setzte, wie es auch in anderen Städten mit ihren Cultbildern der Fall war.

In diese Frage ist durch die am 1. Januar 1880 erfolgte Auffindung der vielbesprochenen Marmor-
statue der Parthenos in Athen Licht gebracht und dieselbe endgiltig entschieden worden. Dass die Statue
eine Copie der Phidias'schen Tempelfigur sei, und zwar die getreueste von allen, die bisher dafür angesehen
wurden, hat Lange überzeugend dargethan.6 Vergleichen wir mit dieser unsere Gemme. Was zuförderst

1 Gesammelte Schriften III, S. 194.

2 Ueber die Minervenidole Athens, 1844.

3 Die Athenastatue des Phidias im Parthenon. Berlin i865.

4 Der Parthenon, S. 274.

5 Mit geringen Variationen zeigen es zwei Cameen in Paris (Nouvelle galerie mythol. pl. XXIV, i3; XXVIII. 14),
ein kleiner Intaglio der florentinischen Sammlung, eine antike Glaspaste in Paris (ebenda pl. XXII, 1), vollständig überein-
stimmend ausser einer geringen Verschiedenheit in der Anordnung des Haares; ein Intaglio der ehemaligen Sammlung
Blacas (blos Kopf und mit Perlenschnur geschmückter Hals, ohne Büste), abgebildet in der Gazette des beaux arts VIII,
218. Eine freie, etwas derbe Wiederholung in Chakedon, im Besitze des Hofrathes Oeffele in München, bei Lippen, n. 121.

6 Mittheil, des archäol. Institutes in Athen VI (1881). S. 56.
 
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