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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 2.1884

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I. Theil: Abhandlungen
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Engerth, Eduard von: Über die im kunsthistorischen Museum neu zur Aufstellung gelangenden Gemälde, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5610#0166
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146

Eduard Ritter von Engerth.

ersten Male im Jahre 1529 in Cambrai auf, und zwar im Dienste der Tante Karls V., Margaretha von
Oesterreich, stehend; nach dem Tode Margarethens kommt er in den Diensl des Kaisers, den er später
nach Tunis begleitet. Es kann hier nicht der Ort sein, auf die Sichtung aller zerstreut anzutreffenden Nach-
richten und Notizen einzugehen, aus welchen noch einzelne Details aus dem Leben und Wirken Jan Vermays
gewonnen werden könnten; uns beschäftigen die oft genannten Cartons des Künstlers, welche trotz des
Umstandes, dass sie mehr als ein Jahrhundert der öffentlichen Betrachtung entzogen waren, zu grosser Be-
rühmtheit gelangten und jetzt, aus langer Gefangenschaft erlöst, ans Licht gebracht werden sollen.

Nach der Rückkehr aus Tunis entwarf Vermay kleine gemalte Skizzen zu den zwölf Bildern, nach welchen
Gobelins gemacht werden sollten. Diese Skizzen sollen sich nach Houdoy im Besitze der Königin von Eng-
land befinden. Die grossen Bilder sind in Wien und die ersten in Brüssel ausgeführten Gobelins in Madrid.

Houdoy bringt interessante Details über das Zustandekommen der Cartons durch Vermay, und der
Gobelins in der Werkstätte des Tapetenfabrikanten Guillaume Pannemacker.

Vermay erhält den Auftrag, nach den kleinen Entwürfen die Cartons in derselben Grösse zu ver-
fertigen, in welcher die Gobelins ausgeführt werden sollen. Es wird ihm zur Pflicht gemacht, nur die tüch-
tigsten Gehilfen zu verwenden und die besten Farben zu nehmen; er verzichtet auf andere Arbeiten bis
zur Vollendung dieser Bilder, welche, auf gutem grossen Papier gemalt, spätestens achtzehn Monate vom
Tage der Unterzeichnung der Bestellung (Juni 1546) abgeliefert sein sollen. Der Kaiser bewilligt dagegen
eine Entlohnung von 1800 fl. für alle zwölf Cartons.

Der Vertrag, welcher nach Vollendung der Zeichnungen mit dem Tapetenfabrikanten Pannemacker
vereinbart wurde, geht in die kleinsten Details ein, und überall kommt das Bestreben hervor, ein Pracht-
werk der allerbesten Art zu erzielen. Pannemacker hat Gold, Silber, Seide und Wolle von der feinsten
Qualität zu verwenden. Die Seide ist aus Spanien, aus der Provinz Granada zu beziehen, für die Kette ist
das feinste Lioner Garn zu verwenden. Sogar die Anzahl der Gold- und Silberfäden im Verhältniss zur
Seide und Wolle wird festgestellt. Pannemacker übernimmt die Verpflichtung, an jedes Stück der Tapeten
sieben Arbeiter zu stellen. Eine Experten-Commission, bestehend aus den Sachverständigen: Francois
Guebles, Hubert van der Motte und Andries Mattens, hat über der Arbeit zu wachen, und der Unternehmer
ist gehalten, nicht nur alle von dieser Commission verlangten Correcturen durchzuführen, sondern selbst
eine ganze Tapete neu zu machen, falls dies für nöthig erachtet würde. Der Preis war auf 12 fl. für die
□ Elle festgesetzt. Gold- und Silberfäden bis zum Werthe von 7 fl. für die □ Elle sind gratis gegeben
worden. Ausserdem bewilligt der Kaiser dem Pannemacker noch eine Lebensrente von 100 fl. jährlich
nach gut vollendeter Arbeit.

Aus den verschiedenen Verträgen und Detailrechnungen geht hervor, dass die Ausgabe für die Her-
stellung dieser kostbaren Tapeten sammt den Originalzeichnungen beiläufig 26.000 fl. betrug.

Nach sechsjähriger Arbeit, am 21. April 1554, waren alle zwölf Gobelins vollendet. Sie wurden nach
England gebracht, um dort für die Ueberführung nach Spanien eingeschifft zu werden, wo sie sich heute
noch befinden.

Vermays Zeichnungen scheinen vorläufig in Brüssel zurückgeblieben zu sein. Wann sie nach Wien
gekommen sind, ist nicht bekannt. Die Nachrichten über ihre ferneren Schicksale tauchen erst dann wieder
auf, als Kaiser Karl VI. den Entschluss fasste, ein zweites Exemplar dieser Tapeten anfertigen zu lassen.
Am 10. März 1712 erhält die Hofkammer in Wien den Auftrag, mit dem Tapetenfabrikanten Jodocus de
Vos den diesbezüglichen Vertrag abzuschliessen.

Die Bordüre zu den Bildern von Vermay war wahrscheinlich nur in einem Detail ausgeführt, welches
in der Pannemacker'schen Weberei um alle zwölf Gobelins herum wiederholt worden ist, wobei es durch
den often Gebrauch zu Grunde gegangen sein mag. Aber auch das erste Bild: die Landkarte mit dem
lebensgrossen Porträt Vermays, und das neunte Bild, welches, mit dem zehnten in Verbindung ein langes
Doppelbild ausmachte, sind nicht vorhanden. De Vos erfand eine Bordüre im Stile seiner Zeit, liess die
zwei fehlenden Bilder weg und führte also nur zehn Tapeten aus.

Der Münz- und Antiquitäten-Inspector Heraus erhielt den Auftrag, kurze Erklärungen der Begeben-
heiten zu verfassen, welche an die Stelle der in spanischer und lateinischer Sprache auf den Original-
 
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