ANTIKE BRONZEN.
Von
Robert Ritter von Schneider.
/. Pallas Athena.
as über diesen Zeilen in zwei Ansichten abgebildete Figürchen der speerschwingenden
Athena wurde im Jahre 1808 mit vielen anderen Bronzen aus der Sammlung des
1761 verstorbenen Directors der kaiserlichen Schatzkammer Joseph de France für
das Antikenkabinet erworben. In dem Kataloge der alten Bronzen de France's,
welchen der Leipziger Archäologe Georg Heinrich Martini verfasst hat, ist es unter
Nr. 107 beschrieben: »Pallas galeata, cuius thorax, Medusae capite insignis, etpectus
et tergum penitus tegit, sub eoque habet non solum tunicam breviorem, sed etiam
indusium, quod ad pedes usque pertinet. Manu dextra sublata hastam gestasse videtur, sinistra fracta
est.«1 Eine Abbildung des Figürchens findet sich in v. Sacken's Buche,2 doch zeigt dieselbe seinen
Stilcharakter nicht vollkommen getreu und auch der begleitende Text wird ihm, wie mir scheint, nicht
gerecht, so dass die Statuette neu zu veröffentlichen nicht überflüssig sein dürfte, zumal ihrer in der
letzten zusammenfassenden und eingehenden Besprechung der archaischen Bronzebilder der Athena3
vergessen worden ist.
Sacken sieht in dem Figürchen die spätere Nachbildung eines alterthümlichen Götterbildes: er ver-
kennt zwar nicht seinen archaischen Charakter, hält aber dafür, dass es der »Zartheit und Unschuld«
echter alter Werke entbehrt. Die älteren, handschriftlichen und gedruckten, Kataloge nennen es »alt-
griechisch« und das gleiche Urtheil fällt Furtwängler.4 Auch ich gestehe, den dagegen erhobenen
Einwand nicht einzusehen. Die Körperformen der Göttin zeugen von männlicher Kraft. Ihre Propor-
tionen sind kurz. Sie schreitet mit gestreckten Beinen vor und dieser zwar scheinbar minder rasche
1 Musei Franciani descriptio, vol. II, pag. i3 der Leipziger (1781), pag. 18 der Wiener Ausgabe (1805).
2 Die antiken Bronzen des k. k. Münz- und Antikenkabinetes in Wien, Theil I (1871), Taf. 8, Fig. 1; vergl. S. 29.
3 Studniczka in der 'Ecpr)jj.£pi? ap^aioXoyixij 1887, Sp. i33—154.
4 in Roscher's Lexikon der Mythologie, Bd. L, Sp. 693.
xii. 10
Von
Robert Ritter von Schneider.
/. Pallas Athena.
as über diesen Zeilen in zwei Ansichten abgebildete Figürchen der speerschwingenden
Athena wurde im Jahre 1808 mit vielen anderen Bronzen aus der Sammlung des
1761 verstorbenen Directors der kaiserlichen Schatzkammer Joseph de France für
das Antikenkabinet erworben. In dem Kataloge der alten Bronzen de France's,
welchen der Leipziger Archäologe Georg Heinrich Martini verfasst hat, ist es unter
Nr. 107 beschrieben: »Pallas galeata, cuius thorax, Medusae capite insignis, etpectus
et tergum penitus tegit, sub eoque habet non solum tunicam breviorem, sed etiam
indusium, quod ad pedes usque pertinet. Manu dextra sublata hastam gestasse videtur, sinistra fracta
est.«1 Eine Abbildung des Figürchens findet sich in v. Sacken's Buche,2 doch zeigt dieselbe seinen
Stilcharakter nicht vollkommen getreu und auch der begleitende Text wird ihm, wie mir scheint, nicht
gerecht, so dass die Statuette neu zu veröffentlichen nicht überflüssig sein dürfte, zumal ihrer in der
letzten zusammenfassenden und eingehenden Besprechung der archaischen Bronzebilder der Athena3
vergessen worden ist.
Sacken sieht in dem Figürchen die spätere Nachbildung eines alterthümlichen Götterbildes: er ver-
kennt zwar nicht seinen archaischen Charakter, hält aber dafür, dass es der »Zartheit und Unschuld«
echter alter Werke entbehrt. Die älteren, handschriftlichen und gedruckten, Kataloge nennen es »alt-
griechisch« und das gleiche Urtheil fällt Furtwängler.4 Auch ich gestehe, den dagegen erhobenen
Einwand nicht einzusehen. Die Körperformen der Göttin zeugen von männlicher Kraft. Ihre Propor-
tionen sind kurz. Sie schreitet mit gestreckten Beinen vor und dieser zwar scheinbar minder rasche
1 Musei Franciani descriptio, vol. II, pag. i3 der Leipziger (1781), pag. 18 der Wiener Ausgabe (1805).
2 Die antiken Bronzen des k. k. Münz- und Antikenkabinetes in Wien, Theil I (1871), Taf. 8, Fig. 1; vergl. S. 29.
3 Studniczka in der 'Ecpr)jj.£pi? ap^aioXoyixij 1887, Sp. i33—154.
4 in Roscher's Lexikon der Mythologie, Bd. L, Sp. 693.
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