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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 12.1891

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II. Theil: Quellen zur Geschichte der kaiserlichen Haussammlungen und der Kunstbestrebungen des Allerdurchlauchtigsten Erzhauses
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Wickhoff, Franz: Die italienischen Handzeichnungen der Albertina, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5903#0605
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1

8484

DIE ITALIENISCHEN HANDZEICHNUNGEN DER ALBERTINA.

Von

Franz Wickhoff.

I. THEIL.

Die venezianische, die lombardische und die bolognesische Schule.

Einleitung.

Man sollte immer mit Pierre-Jean Mariette be-
ginnen, wenn man von dem regen Sammeleifer und dem
feinen Verständnisse sprechen will, welche den Wiener
Kunstfreunden des vergangenen Jahrhunderts eigen
waren. Die Aufstellung der Sammlung des Prinzen
Eugen von Savoyen, welche Mariette daselbst vor-
nahm, kam zunächst der Kupferstichkunde zu Gute, ja
man darf es wohl sagen: eine wissenschaftliche Behand-
lung des Kupferstiches wurde erst durch Mariette's
Aufenthalt und seine Thätigkeit in Wien ermöglicht. Als
die kostbaren Bände derSammlung des Prinzen Eugen
in die Wiener Hof bibliothek gekommen waren, benutzte
A. Bartsch die sorgfältigen kritischen Inhaltsver-
zeichnisse, die Pierre-Jean Mariette jedem Bande
angefügt hatte, als Grundlage für die Ausarbeitung
seines »Peintre-Graveur« und selbst heute noch,
nachdem der Inhalt von Bartsch' auf sie gebauten
Werke Gemeingut der Kenner geworden, würde es
reichliche Belehrung bringen, wenn man Mariette's
grundlegenden Katalog unverändert veröffentlichen
wollte. Neben diesem direct wissenschaftlich nutzbaren
Ertrag von Mariette's Aufenthalte in Wien wird
auch ein idealer Ertrag desselben bemerkbar, der sich
vielleicht am besten umschreiben lässt, wenn wir uns das
Titelkupfer des Versteigerungskataloges seiner Samm-
lung (F. Bas an, Catalogue raisonne des differens
objets de curiosite's dans les sciences et arts, qui com-
posaient le Cabinet de feu Mr. Mariette, Controleur
gene'ral, etc. Paris, 1775) vor Augen stellen, das, nach
einer liebenswürdigen Zeichnung des C. N. Cochin fils
von Choffard gestochen, die Grazie und Pedanterie
des 18. Jahrhunderts lustig verbunden zeigt. Die Büste
des betrauerten Verstorbenen erhebt sich über einer
Gruppe allegorischer Figu ren. Da sehen wir vorne die
Kennerschaft (la Connoissance) bei einem Porte-Feuille
mit Kupferstichen sitzen, den Gott des Geschmackes
(le Dieu du Gout) zur Seite sowie ein Kind, das einen
Hahn hält als Symbol der Nachtwachen, die es kostet,
zu ihr zu gelangen. Sie entzündet ihre Fackel an einer
Lampe in den Händen der Wissenschaft der Zeichnung
XII.

(lascience du Dessin). Des Erträgnisses der Verbindung
dieser beiden Frauen erfreut sich die Geschichte, welche
deshalb dargestellt ist auf dem Rücken der Zeit nieder-
schreibend, was sie von dem Gespräche ihrer allego-
rischen Schwestern erlauscht. Zopfig zwar jedoch auch
sinnig ist dadurch Mariette's Wirken dargestellt, das
schliesslich zu einer wissenschaftlich begründeten Ge-
schichte des Kupferstiches geführt, von dem Studium
der Zeichnungen aber seinen Ausgang genommen hatte.
Ihm war die Betrachtung der Kupferstiche, durch
welche die grossen Werke der Malerei verbreitet wurden,
eine beständige Aufforderung, auf die vorbereitenden
Studien der Meister zurückzugehen, deren Resultat das
Kunstwerk war. Diesen Sinn hatte er in Wien zurück-
gelassen, theils vielleicht durch unmittelbare Belehrung,
noch mehr aber dadurch, dass man hier nun auf sein
weiteres Wirken aufmerksam blieb und seinem Beispiele
nachzukommen suchte. Dem mag es zuzuschreiben sein,
dass ausser Paris, von Florenz natürlich abgesehen,
keine Stadt des Continents eine so reiche Sammlung von
Handzeichnungen, reich in doppeltem Sinne, der Zahl
nach und dem inneren Werthe nach, besitzt wie Wien.
Ja diese Verbindung mit Mariette führte dahin, dass
ein nicht unbeträchtlicher Theil seines Kunstbesitzes
nach seinem Tode im Jahre 1775 in Sammlungen von
Wiener Kunstfreunden überging. Eine Sammlung von
Handzeichnungen galt als die nothwendige Ergänzung
einer Kupferstichsammlung und, indem man den Beginn
und das Ende der künstlerischen Thätigkeit nebenein-
ander hielt, bewahrte man sich den unterscheidenden
Blick für das Bedeutende, gelangte man zur Einsicht
in die Geschichte der Kunst und in kurzer Zeit zu
wissenschaftlichen Leistungen, deren Durchführung in
unserer Zeit der Specialisirung kaum mehr verständlich
ist, in welcher schon Copienverzeichnisse Beachtung
beanspruchen, die mit der Emsigkeit eines geschäftigen
Ladendieners angefertigt sind.

Was feinsinnige Kennerschaft, wie sie sich bei
dem Prince de Ligne fand; was vorüberrauschendes
Mäcenatenthum wie jenes des M. G. von Fries in

aa*
 
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