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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 13.1892

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Boeheim, Wendelin: Die Zeugbücher des Kaisers Maximilian I. [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5884#0115
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Die Zeugbücher des Kaisers Maximilian I.

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sache muss seine bestimmten Gründe haben und dieselben sind auch unschwer zu errathen. Zunächst
mangelten nahezu völlig die urkundlichen Quellen und Belegstellen, welche uns über die an den Zeug-
büchern unmittelbar betheiligten Personen, über ihre Entstehung und den Verlauf ihrer Fertigung, ja
selbst über deren Ausführungszeit bestimmte Aufschlüsse geben konnten. Die bisherige Methode der
Forschung war nicht geeignet, diesen noch zur Stunde fühlbaren Mangel wenigstens theilweise durch
ein vergleichendes Studium zu beheben. Dazu kam der überwiegend kriegswissenschaftliche, somit
militärisch-fachliche Inhalt, der sich einer richtigen Würdigung des Geschichtsforschers oder Kunst-
historikers entzog. Einer solchen kann aber selbst dann nicht völlig aus dem Wege gegangen werden,
wenn der Schwerpunkt auf die historische und artistische Seite gelegt wird; denn in dem kriegswissen-
schaftlichen Gehalte liegt eben der Werth der Zeugbücher und das Verdienst ihres kaiserlichen Urhebers.
Wer könnte verschweigen, dass hier unter der bescheidenen Flagge eines Bilderinventars alle jene Be-
strebungen des Kaisers zur Verbesserung des Kriegsmaterials, der Hand- und Feuerwaffen und über-
haupt des gesammten Kriegszeugwesens vor Augen treten, die uns den »Romantiker auf dem Throne
der Caesaren«, den »letzten Ritter« von einer ganz anderen Seite kennen lehren, als wir ihn im »Frei-
dal« oder im »Theuerdank« sahen, ja als wir selbst nach den spärlichen Andeutungen im »Weisskunig«
erwarten konnten? Hier zeigt sich uns der Kaiser als sein eigener erster und bedeutendster Kriegs-
techniker, als ein unentwegter Forscher auf dem mechanischen und selbst chemisch-technischen Ge-
biete. Betrachten wir uns gleichzeitig den reformirenden Einfluss Maximilian I. auf die Strategie und
Taktik, Doctrinen, die sich hier unserer Beobachtung vollständig entziehen, so sind erst damit die
Factoren zur scharfen Beurtheilung dieses grossartig angelegten Herrschers als ersten Kriegsmannes
seiner Zeit gegeben.

Angesichts dieses wichtigen Beitrages zur Charakteristik Maximilian I. tritt der rein kunst- und
culturhistorische Gehalt der Zeugbücher nur scheinbar weiter in den Hintergrund zurück. Erscheinen
die rein ornamentalen Beigaben auch im Ganzen schablonenhaft, so fehlt es auch da nicht an inter-
essanten stilistischen Merkmalen, die auf die Kunstepoche der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts ein
helles Streiflicht werfen. Hoch werthvoll vom cultur- und speciell kriegsgeschichtlichen Gesichtspunkte
erscheinen die figuralen Beigaben. Die hier dargestellten Landsknechte sind keine Figuren, verschönt,
verklärt durch die künstlerische Idee, wie sie uns Dürer, Burgkmair und Andere vorführen, sondern
die abgerissenen, schlotterigen Gestalten, wie sie in Wirklichkeit aussahen. Nicht wie im »Triumph«,
im »Weisskunig« sondern wie in den Zeugbüchern Maximilian I. und in den ihnen verwandten Co-
dices, welche ich später beleuchten werde, erschien das Fussvolk des Kaisers, abgebildet in aller Treue
im Sommer- wie im Wintergewande. Damit wird die bisherige Vorstellung des Aeusseren dieses an
sich gewiss werthvollen Fussvolkes nicht unbedeutend alterirt und mit ihrer Geschichte in Einklang
gebracht. Die den einzelnen Abbildungen beigegebenen Reime entbehren allerdings in ihrer Form so-
wohl als in ihrem poetischen Gehalte jedes Werthes; aber sie sind immerhin mit Rücksicht auf die
Herkunft ihres Autors in sprachlicher Hinsicht beachtenswerth und enthalten eine Fülle von histo-
rischen und fachlichen Erklärungen, die das Verständniss des Dargestellten nicht selten bedeutend
unterstützen.

Bevor ich in den Gegenstand selbst eingehe, sei es mir gestattet, über die Behandlung desselben
einige Worte voranzuschicken. Um die Zeugbücher des Kaisers Maximilian nach allen Richtungen,
besonders aber nach der militärisch-fachlichen Seite hin erschöpfend zu behandeln, würde ein weit
grösserer Raum in Anspruch genommen werden müssen, als in einem Organe, welches überdies speciell
kunstwissenschaftliche Aufgaben zu lösen hat, zur Verfügung steht. Ich musste mich somit gerade auf
diesem Gebiete einer besonderen Kürze des Ausdruckes befleissen, in der sicheren Hoffnung, bei dem
historisch gebildeten Fachmanne auch bei dem Aufwände von wenigen Worten dem richtigen Ver-
ständnisse zu begegnen. Einer Verlockung hat hiebei der Autor widerstehen müssen: die Entwicklung
des Waffenwesens vom XV. ins XVI. Jahrhundert aus dieser und anderen wenig bekannten Quellen
in pragmatischer Darstellung zum Ausdrucke zu bringen. Wenn dies aus den obigen Gründen auch
vollkommen auszuschliessen war, so ist doch in anderer Form eine reiche Serie von Daten geboten,
 
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