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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 13.1892

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Boeheim, Wendelin: Die Zeugbücher des Kaisers Maximilian I. [1]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.5884#0116
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Wendclin Boeheim.

welche die bisherigen Annahmen in wesentlichen Punkten emendiren und verlässliche Materialien
ebenso zu einer Geschichte der Thätigkeit Maximilian I. als Heeresorganisator wie zur Entwicklung
des Kriegswesens jener Zeit an die Hand geben. Mehr durfte der Autor nicht anstreben.

Einleitung.

Die letzten Decennien des XV. Jahrhunderts charakterisiren sich im deutschen Reiche durch eine
vollständige Umbildung aller Gebiete des Lebens, damit auch des Kriegswesens; die Anregungen zur
Reform des letzteren wurden einerseits durch die Schweizer, anderseits durch die burgundischen Heere
gegeben.

Bis über die Mitte des XV. Jahrhunderts war das gesammte deutsche Heerwesen noch auf feudalen
Grundlagen aufgebaut und erst die herben Erfahrungen der Unbrauchbarkeit eines Systems, das sich
seit Langem überlebt hatte, veranlassten die deutschen Fürsten zu einem Zusammenfassen ihrer ge-
sammten Streitmittel. Auch das Gesammtreich konnte sich dieser allgewaltig auftretenden Nothwendig-
keit einer Concentration der Machtmittel umsoweniger verschliessen, als es sich von nahezu allen be-
nachbarten Staaten bedroht fühlte und eines bewaffneten Ueberfalles stets gewärtig sein musste.

Nicht initiativ, nicht selbstständig tritt bei diesem umfassenden Reformationswerke Kaiser Fried-
rich III. hervor; sein conservatives Wesen und seine Willensschwäche machten ihn hiezu völlig unfähig.
Was er in fatalistischer Thatlosigkeit versäumte, das mussten Agnaten des habsburgischen Hauses im
Interesse der Selbsterhaltung durch kühn geschaffene Thatsachen dem kaiserlichen Herrn abringen. Erz-
herzog Sigismund hatte vor Allem in seinen Kriegen gegen die Schweizer und gegen Burgund eine
Schule der Erfahrung durchgemacht; er sah sich zuerst veranlasst, eine Umgestaltung seines Wehrwesens
anzubahnen. Was er, durch politische Verhältnisse gehemmt, nur beginnen konnte, das vollendete Erz-
herzog Maximilian mit seinem aufs Grosse gerichteten Blicke, seinem tiefen Wissen und seiner
staunenswerthen Willenskraft. In der kurzen Zeit von 29 Jahren wandelte er das gesammte Kriegs-
wesen in den kaiserlichen Erblanden, auf Grundlage der Erfahrungen zwar aber immer in den Ideen
voranschreitend, vollständig um und seine Einrichtungen bildeten das Muster für alle Heereseinrich-
tungen in Europa.

Schon 1490 nahm Erzherzog Maximilian einen Einfluss auf das Wehrwesen eines Landes, das
nach der damaligen politischen Lage eine erhöhte Beachtung verdiente, auf Tirol. Mit der allmäligen
Bildung einer wenn auch nicht ständigen aber doch ihrer Organisation nach in einer Hand vereinigten
Hausmacht war die Ansammlung eines für alle Fälle ausreichenden Vorrathes von Waffen und Kriegs-
geräthen eine sich von selbst ergebende Folge. Zwar hatte bereits Erzherzog Sigismund mit der An-
sammlung von Kriegszeug in sogenannten Zeughäusern begonnen; aber das Materiale war veraltet,
die grösste Zahl der Geschütze zu schwer für den modernen Feldkrieg, die Handwaffen für die Schlacht
kaum mehr tauglich. Ausserdem befand sich ein ansehnlicher Theil von Kriegszeug in den Schlössern
und Städten vertheilt, darunter Waffen, welche längst nicht mehr im Gebrauche waren, wie Stock-
schleudern, Pavesen, Tartschen u. dgl. Von allem diesen Zeug, welcher in den vergangenen Kriegen an-
gehäuft wurde, waren keine oder doch nur sehr ungenügende Inventare vorhanden, so dass der Landes-
herr selbst sein Eigenthum nicht übersehen konnte und gar Vieles von Schlossherren und Pflegern später
als ihr Eigenthum erklärt oder kurzweg verschleppt wurde.

Bei der Umwandlung des gesammten Heerwesens bildete demnach die Erneuerung, Vermehrung
und Ordnung des Kriegszeuges eine nicht unbedeutende Aufgabe des Erzherzogs. Der Zeug musste all-
mälig in Einklang gebracht werden mit den neuen Bedürfnissen der Waffengattungen und man musste
im Stande sein, in jedem gegebenen Augenblicke über die vorhandenen Streitmittel zu gebieten.

Mit diesen Reformen steht eine Persönlichkeit in Verbindung, welche durch ihre eminenten Lei-
stungen einen weiteren Beweis dafür erbringt, wie trefflich Maximilian seine Leute zu wählen vvusste,
der spätere kaiserliche oberste Hauszeugmeister Bartholomäus Freysleben.
 
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