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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Drach, Karl Alhard von: Jost Burgi, Kammeruhrmacher Kaisers Rudolf II.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0047
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C. Alhard von Drach.

Dass das Burgi'sche Wohnhaus mit dem als »meiner hausfrauen behausung« in dem Brief be-
zeichneten Hause identisch sei, möchten wir nicht behaupten; wir glauben vielmehr, da, wie gleich
angegeben werden wird, der Meister im Jahre 1617 wieder länger in Cassel verweilt hat und letzteres
doch vermiethet werden sollte, dass Burgi schon, bevor er 15g! Casseler Bürger wurde, ein Haus
erworben hatte 1 und seine zweite Frau gleichfalls ein solches besessen habe, worin andere Leute zur
Miethe wohnten.

Wie der Process mit Jacob, dem Juden, nach Burgi's Ankunft in Cassel geendet hat, konnten
wir nicht feststellen; ebensowenig, wie lange der Meister in der alten Heimat verweilte. So ganz
kurz muss der Aufenthalt nicht gewesen sein, da er während desselben dem Prinzen Hermann, einem
Sohne des Landgrafen Moriz, Unterricht in der Astronomie ertheilt hat.2 Wir wissen auch nicht,
worin damals Burgi's eigentliche Thätigkeit bestand, und vermuthen nur, dass der den Siebzigen ent-
gegengehende Mann sich mehr mit mathematischen Theorien und Berechnungen beschäftigt hat als
mit mechanischen Arbeiten und Uhren.3 Vielleicht bereitete er die im Jahre 1620 zu Prag erschienenen
»Arithmetische und geometrische progresstabulen« zum Druck vor. Dass er sich im Jahre 1619 schon
wieder in Prag befand, ist deshalb anzunehmen, weil damals, nach Bramer's Zeugniss,* für die be-
absichtigte Herausgabe des Tractates über das Triangularinstrument »sein des Burgi bildnusz von ^Egidio
Satlern, kais. maj. kupferstechern, in den titul gestochen worden« ist und der genannte Künstler die Zeich-
nung dazu am 28. Februar 1619 nach dem Leben gemacht hat.5

Der vollständige Titel der erwähnten Schrift, welche die Burgi'sche Logarithmentafel enthält,
lautet: »Arithmetische und geometrische progresstabulen sambt gründlichen Unterricht, wie solche nutzlich in
allerlei rechnungen zu gebrauchen und verstanden werden sol. Gedruckt in der alten Stadt Prag bei Paul Seissen,
der löblichen universitet buchdrucker, im jähre 1Ö20«. Sie ist eine literarische Seltenheit, die nur in wenigen
Exemplaren existirt; der versprochene gründliche Unterricht fehlt in allen und ist überhaupt nicht im
Druck erschienen. Ohne denselben mussten die Tabellen selbst für die Fachleute von damals unver-
ständlich bleiben und trägt daher Burgi dadurch, dass er seiner neuen Erfindung keine Erklärung
beigab, selbst die Schuld, nicht von Anfang an als Entdecker der Logarithmen anerkannt worden zu

1 Der Casseler »Bürgereid vom 23. december 1578« verlangt zwar nicht ausdrücklich, dass diejenigen, welche
Bürger werden, Hausbesitzer sind, er scheint jedoch von dieser Voraussetzung auszugehen. Es hcisst darin: Und soll dem-
nach ein ider auslendischer, so alhier burger werden will, zu burgergelt geben sechzehen gülden und ein innenlendischer
zehen gülden münz, halb unserem gnedigen fursten und herrn und die ander helfte gemeiner Stadt Cassell. So soll auch von
burgermeister und rath ohne vorwissen des obristen und stadtschultheisen keiner zum burger anhero uffgenommen werden.
Letzlich sol ein ider, so burger wirdt, alspalt er die burgerschaft angelobt, einen Hedem eimer aufs rathaus geben.

Alle und ide obgemelte puneten soll ein ider, der alhier zur miede oder sonst wohnet, zu leisten und zu halten ge-
loben und schweren. Wer aber unsers gnedigen fursten und herrn hoifdiener ist, der kein eigen haus besitzt
oder erkeuft, soll zu gehorsamer wirklicher und unverpruchlicher haltung obbemelter articull in alle wege weniger nicht
als andere burger verpflichtet aber zu erlegunge obbemelts burgergelts nicht schuldig sein, bis solang er ein eigen
haus erkeuft, aldann er solch burgergelt halb hochgedachtem unserm gnedigen fursten und hern und die ander helft der
Stadt, wie bruchlich herkommen und obgemeldet, erlegen oder sich deshalben zur gnuge abfinden.

2 Chr. v. Rommel gibt in Bd. II der »Neueren Geschichte von Hessen«, S. 473 unter Bramer die Notiz: »Er und
Byrgi unterrichteten seit 1617 zu Cassel den Prinzen Hermann in der Astronomie nach den neuen, von Landgraf Wilhelm IV.
verbesserten Instrumenten«. Vgl. auch oben S. 34, Anm. 3.

3 Nach Mittheilung des Herrn Dr. Modern findet sich in dem auf der k. k. Hofbibliothek zu Wien verwahrten
Codex 8196 (vgl. Chmel, 1. c, Bd. II, S. 1 ff.), welcher ein nach verschiedenen darin enthaltenen Einzeichnungen zwischen
1620 und l63o aufgestelltes, beziehungsweise revidirtes Inventar der in der Schatz- und Kunstkammer zu Prag befindlichen
Sachen enthält, auf Blatt 50 folgende Notiz: »Der alte Jobst, Cammeruhrmacher, hat noch auszumachen und bei sich in
Verwahrung: Ein sehr grosses modus (!) perpetuum. — Eine schöne grosse künstliche uhr mit vielen bildern, welche sich
alle durch das werkhlaufen bewegen.

4 Im Eingang der Vorrede »An den günstigen leser« zum »Bericht von maister Jobsten Burgi geometrischen trian-
gularinstrument etc.«

5 Hiermit istEgidius Sadeler gemeint. Derselbe ist 1575 zu Antwerpen als Sohn des Raphael Sadeler geboren;
letzterer war ebenso wie ein älterer Bruder Johannes Kupferstecher, wozu auch Egidius bei Beiden sich ausbildete. Er
ging später mit Vater und Oheim zusammen nach München und Italien und wurde vom I. September 1597 ab von Kaiser
Rudolf.II. als kaiserlicher Kupferstecher mit einem Monatsgehalt von 10 Gulden angestellt, der schliesslich auf 25 Gulden
erhöht wurde (vgl. diese Jahrbücher Bd. X, sub 5566). Egidius Sadeler starb zu Prag im Jahre 1629.
 
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