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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Paulus van Vianen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0088
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78

Heinrich Modern.

In der Domkirche zu Graz sind die zwei berühmten Truhen, welche die sechs Trionfi
Petrarca's in Elfenbeinreliefs im Stile Mantegna's wiedergeben, in den kunsthistorischen Sammlungen
die zwei ersten Trionfi, der Liebe und der Keuschheit, von den sechs, die, wie Ridolfi1 mittheilt,
Bonifacio Veneziano I gemalt hatte; die vier fehlenden Trionfi Petrarca's aber finden wir mit einer
sehr bemerkenswerthen Variante auf der Kanne des Paulus van Vianen.

Paulus van Vianen hat den Sieg des Todes, des Ruhmes, der Zeit und der Wahrheit dar-
gestellt, welch' letztere er an Stelle der Petrarca'schen Gottheit gesetzt hat.

Im Triumphe des Todes fährt
der Tod, als Skelet dargestellt, mit
der Hippe auf einem aus Menschen-
gebein gebildeten Wagen; ein Skelet
mit phrygischer Mütze trägt das
Banner mit dem Todtenkopfe; die
Wegspuren bedecken Leichen; unter
den Füssen des Ochsengespanns eine
Mutter mit dem Säugling; ganz im
Vordergrunde Männerleichen, die
dem Künstler Gelegenheit geben, die
menschlichen Gliedmassen in allen
denkbaren Stellungen zu modelliren,
und unverkennbar den Einfluss Michel
Angelo's verrathen. Im Hintergrunde
links eine Seestadt; im offenen Meere
rechts ein sinkendes Schiff mit zer-
schmettertem Mastbaum, von welch'
letzterem ein Matrose herabstürzt; im
Meere schwimmen Leichen (Fig. 8).

Im Triumphe des Ruhmes stösst
ein geflügelter weiblicher Genius in
die Posaune, die er in der Rechten
hält; in der Linken eine zweite Po
saune. Neben dem mit Elephanten
bespannten Triumphwagen schreitet
Caesar Augustus, wohl als symboli
scher Repräsentant des Kaisers, den
Commandostab in der Hand, in reicher
antiker Rüstung; ihm voraus geht ein
Lanzenträger, während drei gepan-
zerte Ritter mit individualisirten Zügen ihm folgen. Zur Seite des Wagens ein Zug Unsterblicher:
voran Lionardo da Vinci mit dem Lorbeerkranze auf dem Haupte, dann ein Doge, hierauf Dante, Michel
Angelo, Dürer (gerade in der Mitte); über die Schulter des nackten Bannerträgers, der im Banner die
Boten des Ruhmes: Augen, Mund, Ohr und Griffel führt, schaut Hans von Achen; hinter ihm Tizian;
zuletzt der Goldschmied Lorenzo Ghiberti, der Meister der »Pforten des Paradieses«. Im Hinter-
grunde Nürnberg mit der Stadtmauer, der alten Burg, St. Lorenz und St. Sebaldus (Fig. 9).

Im Triumphe der Zeit ist dieselbe als Mann (il tempo) dargestellt, der ein geflügeltes Stundenglas
hält; Hirsche führen den reichverzierten Wagen. Hinter demselben schreiten Karl der Grosse, neben ihm
ein Ritter im Waffenschmucke des XVI. Jahrhunderts, zu dessen Rechten ein Fürst in orientalischer

1 Le Maraviglie dell' Arte I, 273—278.

Fig. 9.
 
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