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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Paulus van Vianen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0089
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Paulus van Vianen.

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Gewandung (als Repräsentanten dreier Geschichtsepochen); man sieht noch weitere gekrönte Häupter,
einen Dogen; im Vordergrunde rechts ein lorbeergekrönter Dichter (Lodovico Ariosto), vor ihm ein
Gelehrter mit der Weltkugel und einem astronomischen Instrumente. In der Luft fährt der Sonnen-
tagen mit Viergespann. Das Banner mit Zirkel, Compass, Sonne, Mond und brennendem Lichte hält
die Zeit selbst. Wir werden durch diese Vorstellung an Kaiser Rudolfs Vorliebe für astronomische
Studien, an das grosse Werk der »Tabulae Rudolfinae« gemahnt (Fig. 10).

Im Triumphe der Wahrheit hält diese einen Spiegel vor sich; sie sitzt auf einem Wagen, der mit
Einhörnern bespannt ist; vor ihr
^■tnor, dem die Hände rückwärts zu-
sammengebunden sind. Unter Mär-
tyrerinnen mit Palmenzweigen finden
^ir wieder Dante. Der Bannerträger
^it phrygischer Mütze führt im Wap-
pen einen Elephanten. Ganz im Vor-

dergründe bläst ein Weib
Scheiterhaufen an, in welchem ein
Fascesbündel lodert (die königliche
Gewalt unter der Herrschaft der
Wahrheit). Im Hintergrunde die Stadt
Koni mit dem Pantheon und der Ce-
stiuspyramide (Fig. Ii).

Die Ersetzung des Triumphes
des Glaubens durch den Triumph der
Wahrheit ist eine bemerkenswerthe
Variante. Die Wahrheit, die über die
Liebe, die Keuschheit, den Tod, den
^uhm und die Zeit triumphirt, das ist
e'n Gedanke, der eine tiefe, selbst-
ändige philosophische Auffassung
verräth. Im Beginne des XVII. Jahr-
hunderts ist sie überraschend und wird
nurdadurch erklärlich, dassderDenker
2ugleich ein Künstler war, der in die
Schule der Renaissance gegangen und
diesen Gedanken in Beschränkung
auf die bildende Kunst schon bei Lio-
^ardo da Vinci gefunden hatte. Lio-
nardo eröffnet auch den Reigen der Un-
sterblichen im Triumphe des Ruhmes.

Die Trionndarstellungen Vianen's weichen von der herkömmlichen Schablone ab; schon die
kurze Schilderung derselben weist zahlreiche sinnige Details eigener Erfindung auf; aber die Erfindung
tritt noch in den Hintergrund gegenüber der Composition, Zeichnung, Modellirung, Kenntniss der
'^i'spective und der verblüffenden technischen Vollendung.

Auf dem halbkugelförmigen Abschlüsse des Gefässkörpers aber tummelt sich der ganze Olymp:
^eUs mit der Krone und seinem Adler, Poseidon, Amphitrite, Pan, Cybele, Pluton, die drei Charitinnen
(^ach der Sieneser Antike), Ares, Aphrodite und Eros, Psyche, Hermes, Bacchus, Heracles, Kronos,
der gerade sein weinendes und sich wehrendes Kind verschlingen will, Artemis, Apollo, Hephaistos und
^era hinter dem Gewölke und über Blitzen ihres Gatten; alle durch Attribute und Charakteristik leicht
kenntlich gemacht. Auf derartig ungünstigem Räume ist wohl noch nie eine so reiche, graziöse, form-

Fig. iu.
 
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