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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Frimmel, Theodor v.: Unveröffentlichte Gemälde aus der Ambrasersammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0147
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Theodor von Frimmel.

Waagen in den »Vornehmsten Kunstdenkmälern in Wien«, II, S. 332, Nr. 77, schliesst sich dieser
Vermuthung an und hält das Bild »am ehesten« für ein Werk des Boltraffio, eine Ansicht, in der ihm
wohl heute Niemand mehr im Besonderen beistimmen wird, wenngleich im Allgemeinen der mailän-
dische, und zwar lionardeske Charakter des Gemäldes unverkennbar ist.

Gegen die in Sacken's Buch geäusserte Vermuthung lässt sich aber nichts einwenden. Im Gegen-
theil führt ein vertieftes Studium dazu, uns in der Ueberzeugung zu bestärken, dass wir es hier m'1
einem Bildniss der Bianca Maria zu thun haben.

Das Bild selbst soll hier, wenigstens was die Farben und den Erhaltungszustand betrifft, in Kürze
beschrieben werden. Der Teint der Dargestellten ist etwas blass. Die Wangen sind nur wenig ge'
rothet, die Augen braun und stark vortretend, die Lippen blass. Das Haar ist hellbraun. Das Netz
oder der dünne Stoff, von dem es rückwärts zusammengehalten wird, lässt es dort hellbraun erscheinen-
Der Zopf ist nach unten hin in ein weisses Tuch gehüllt, das, weil im Schatten, ziemlich dunkelgrau
aussieht. Im Nacken ist der Zopf von einem breiten dunklen'Bande zusammengehalten. Das Kettchen,
das über Stirn und Hinterkopf läuft, ist schwarz, weist mitten auf der Stirn ein Goldplättchen auf und
wird an der Seite durch ein goldenes Schmuckstück, an welchem eine grosse Perle hängt, in seine''
Lage erhalten. In der grossen mittleren Fassung gewahrt man einen röthlichen, in der kleinen oberen
einen dunklen grünlichen Stein. Eine Schnur dicker Perlen umschlingt den Hals und fällt weit über
die. Brust herunter. Vorne mitten hängt an goldenem Kettchen ein grosser, nach einem Achtpass
gebildeter Schmuck, an dem drei grosse Perlen hängen.1 Zwischen den zwei Perlenreihen erstreckt
sich schief über den Hals herab eine schmale doppelte Goldkette. Das Leibchen ist hell grünlichblau
und oben mit einem breiten Goldsaum versehen. Der gelbe Aermel wird mittelst schwarzer Bänder
festgehalten. Zwischen dem Leibchen, dem Aermel und den Bändern tritt das weisse Hemd hervor-
Der.Hintergrund ist gleichmässig schwarz. Die dargestellten Goldgegenstände sind in Malgold aus-
geführt. Das auf Nadelholz gemalte Bild, 0-49 M. hoch, o-38 M. breit, ist von vorzüglicher Erhaltung!
obwohl sich das Brett in neuerer Zeit stark geworfen hat.

Die Auffassung des ganzen Bildes ist so durchaus elegant mailändisch, der Malgrund aber, die
überzähe Farbe, die allen Transporten siegreich getrotzt hat, die etwas plumpe und rohe Technik sind
so durchaus tirolisch, dass die Vermuthung kaum auf grossen Widerstand stossen wird, wir hätten es
mit einer tirolischen Copie nach einem Mailänder Original zu thun. Zum Mindesten ist die
Doppelnatur eines grobkörnigen Copisten aus den Alpenländern und eines feinen lionardesken Mai'
länders zweifellos aus dem Bilde herauszulesen. Auch das Nadelholz als Malgrund lässt uns die Ent-
stehung des Bildes in den Alpenländern suchen.

Wer das Original gemalt hat, liess sich bisher nicht ermitteln. Keines der erhaltenen Original-
gemälde kann mit unserer Copie in einen überzeugenden künstlerischen Zusammenhang gebracht
werden. Die deutschen Typen, wie sie auf den Stammbäumen in den kaiserlichen Kunstsammlungen
vorkommen, und der Striegl'sche Typus sind von vornherein auszuschliessen, da Bianca Maria hier
nicht einmal im Profil dargestellt ist. Nur der echte Ambrogio de Predis bei Fr. Lippmann in Berlin
konnte unter dem vorhandenen Material als Urbild in Frage kommen. Doch weisen die beiden Bildet
das Berliner und das Wiener, gegen einander gehalten, so viele Abweichungen, besonders in der Tracht
auf, dass man dem Copisten wenigsten sehr grosse Freiheit einräumen müsste, wollte man das Wiener
Bild für eine Copie nach dem Original bei Lippmann ansehen.

Bianca Maria ist allem Anscheine nach auf unserem Bilde zu einer Zeit dargestellt, als sie nod1
Mädchen war, also vor ihrer Vermählung im Jahre 1493. Zweifellos ist die mailändische Prinzessin
öfter als einmal porträtirt worden und das vermuthlich immer von. mailändischen Künstlern. Diese

> Dieser Schmuck kehrt auch-wieder auf dem Brustbild in der Zeichnung der Akademie zu Venedig und auf
vielleicht nach dieser gefertigten Zeichnung des Berliner Cabinetes. Abbildungen beider Zeichnungen im Jahrbuch der pr£
Kunstsammlungen, Bd. X, S. 74.
 
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