Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol.
I73
auf Karl den Grossen führendes Geschlechtsregister der Ahnen des Hauses Hessen1 übersendet. Erst
später, wohl auf ein erneuertes Ansuchen, gelangten das zweite Bild des Landgrafen Philipp I. und
die übrigen hessischen Bilder nach Tirol. Bezüglich letzterer lässt sich die Zeit, in welcher die
Originale entstanden sind, genauer bestimmen. Ihre Reihe beschränkt sich auf Philipp den Gross-
müthigen (Nr. 3i) und seine vier Söhne Wilhelm IV., Ludwig IV., Philipp II. und Georg nebst
den Gemahlinnen der drei älteren derselben: Sabine, vermählt i566, Hedwig, vermählt 1563, und
Anna Elisabeth, vermählt 1569; dagegen ist die Gemahlin des vierten Sohnes, Magdalena, vermählt
1572, in der Reihe nicht mehr vorhanden. Dies ist
ein Zeichen, dass die Originale nach 156g und vor
1572 entstanden sind. Es stimmt damit überein,
dass der im Jahre 1541 geborene Landgraf Phi-
lipp II. und der 1547 geborene Georg noch in
einem Alter von etwa 28 und etwa 21 Jahren er-
scheinen, was ebenfalls auf die Zeit von 156g führt.
Der Maler der Originale ist sehr wahrscheinlich
jener Meister Caspar,2 der erste bekannte hessische
Hofmaler im Dienste Philipp I. und Wilhelm IV.,
der auch an verschiedene Höfe gesendet wurde,
um lebensgrosse Fürstenbilder in Oel zu malen.
Der Maler der Copien ist unbekannt; sein Vortrag
ist etwas grob, die Bildnisse selbst aber sind leben-
dig und naturwahr.
31, 32. Philipp I., der Grossmüthige, Sohn
des Landgrafen Wilhelm II. von Hessen,
geboren zu Marburg am i3. November 1504, wurde nach
vormundschaftlicher Regierung der Stände (bis 1514)
und seiner Mutter Anna von Mecklenburg (bis 1518)
von Kaiser Maximilian mündig erklärt und zeigte sich
im Laufe seiner fast fünfzigjährigen Regierung als den
rührigsten Vertreter der reichsfürstlichen Politik jener
Zeit, welche ohne Rücksicht auf die von Türken und
Franzosen bedrohte Lage Deutschlands die Erhöhung
der eigenen Macht auf Kosten des Reichsoberhauptes
und der unteren Reichsstände anstrebte. Von Melanch-
thon der neuen Lehre zugeführt, schloss er zum Schutze
derselben 1526 den Gothaerbund mit Kursachsen und 1530 den Schmalkaldischen Bund, den er auf alle Feinde
des Hauses Habsburg auszudehnen suchte. Um die Macht des Letzteren in Süddeutschland zu schwächen, führte
er mit Hilfe Frankreichs nach Auflösung des schwäbischen Bundes die Wiedereinsetzung des geächteten Herzogs
Ulrich von Würtemberg (1534, vgl. oben Nr. 25) durch, bekriegte auch den letzten katholischen Fürsten in Nord-
deutschland, Herzog Heinrich von Braunschweig-Lüneburg, der, 1542 durch den Schmalkaldner Bund seines
Landes beraubt, dasselbe 1545 wieder erobert hatte, neuerdings und nahm ihn gefangen. Dies beschleunigte den
Ausbruch des Schmalkaldner Krieges; Philipp, welcher dem Falle seines Bundesgenossen, Johann Friedrich I.
von Sachsen, unthätig zugesehen,3 ergab sich nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 dem Kaiser und blieb bis
zum Abschlüsse des Passauer Friedens (1552) dessen Gefangener. Sein Streben, nach seiner Rückkehr nach
Hessen eine neue Vereinigung aller Protestanten zu Stande zu bringen, scheiterte an den fortgeschrittenen Gegen-
sätzen zwischen ihnen sowohl in kirchlicher als auch in politischer Beziehung. Im eigenen Lande gelang ihm
die Sicherung der Katzenelnbogen'schen Erbschaft (1557) und die Wiedergewinnung früher innegehabter Lehen;
eine Universität war schon 1527 in Marburg gegründet worden. Er starb zu Cassel am 3i. März 1567. Seine
1 Rommel, Hessische Geschichte, V, S. 472, spricht nur von einem Bildnisse Philipp des Grossmüthigen.
2 Jakob Hofmeister, Gesammelte Nachrichten über Künstler und Kunsthandwerker in Hessen, herausgegeben von
G. Prior, Hannover 1885, S. 17.
3 Ursache war wohl die Uneinigkeit der protestantischen Fürsten bezüglich der Kriegführung. Uebrigens war Philipp,
der zu Lebzeiten seiner Gemahlin eine Nebenche mit dem Hoffräulein Margaretha von der Saal einging, schon 1540 darüber
in Zerwürfniss mit seinem Bundesgenossen gerathen. Die sechs Söhne der Nebenfrau führten den Titel Grafen von Dietz
und starben ohne Nachkommen.
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auf Karl den Grossen führendes Geschlechtsregister der Ahnen des Hauses Hessen1 übersendet. Erst
später, wohl auf ein erneuertes Ansuchen, gelangten das zweite Bild des Landgrafen Philipp I. und
die übrigen hessischen Bilder nach Tirol. Bezüglich letzterer lässt sich die Zeit, in welcher die
Originale entstanden sind, genauer bestimmen. Ihre Reihe beschränkt sich auf Philipp den Gross-
müthigen (Nr. 3i) und seine vier Söhne Wilhelm IV., Ludwig IV., Philipp II. und Georg nebst
den Gemahlinnen der drei älteren derselben: Sabine, vermählt i566, Hedwig, vermählt 1563, und
Anna Elisabeth, vermählt 1569; dagegen ist die Gemahlin des vierten Sohnes, Magdalena, vermählt
1572, in der Reihe nicht mehr vorhanden. Dies ist
ein Zeichen, dass die Originale nach 156g und vor
1572 entstanden sind. Es stimmt damit überein,
dass der im Jahre 1541 geborene Landgraf Phi-
lipp II. und der 1547 geborene Georg noch in
einem Alter von etwa 28 und etwa 21 Jahren er-
scheinen, was ebenfalls auf die Zeit von 156g führt.
Der Maler der Originale ist sehr wahrscheinlich
jener Meister Caspar,2 der erste bekannte hessische
Hofmaler im Dienste Philipp I. und Wilhelm IV.,
der auch an verschiedene Höfe gesendet wurde,
um lebensgrosse Fürstenbilder in Oel zu malen.
Der Maler der Copien ist unbekannt; sein Vortrag
ist etwas grob, die Bildnisse selbst aber sind leben-
dig und naturwahr.
31, 32. Philipp I., der Grossmüthige, Sohn
des Landgrafen Wilhelm II. von Hessen,
geboren zu Marburg am i3. November 1504, wurde nach
vormundschaftlicher Regierung der Stände (bis 1514)
und seiner Mutter Anna von Mecklenburg (bis 1518)
von Kaiser Maximilian mündig erklärt und zeigte sich
im Laufe seiner fast fünfzigjährigen Regierung als den
rührigsten Vertreter der reichsfürstlichen Politik jener
Zeit, welche ohne Rücksicht auf die von Türken und
Franzosen bedrohte Lage Deutschlands die Erhöhung
der eigenen Macht auf Kosten des Reichsoberhauptes
und der unteren Reichsstände anstrebte. Von Melanch-
thon der neuen Lehre zugeführt, schloss er zum Schutze
derselben 1526 den Gothaerbund mit Kursachsen und 1530 den Schmalkaldischen Bund, den er auf alle Feinde
des Hauses Habsburg auszudehnen suchte. Um die Macht des Letzteren in Süddeutschland zu schwächen, führte
er mit Hilfe Frankreichs nach Auflösung des schwäbischen Bundes die Wiedereinsetzung des geächteten Herzogs
Ulrich von Würtemberg (1534, vgl. oben Nr. 25) durch, bekriegte auch den letzten katholischen Fürsten in Nord-
deutschland, Herzog Heinrich von Braunschweig-Lüneburg, der, 1542 durch den Schmalkaldner Bund seines
Landes beraubt, dasselbe 1545 wieder erobert hatte, neuerdings und nahm ihn gefangen. Dies beschleunigte den
Ausbruch des Schmalkaldner Krieges; Philipp, welcher dem Falle seines Bundesgenossen, Johann Friedrich I.
von Sachsen, unthätig zugesehen,3 ergab sich nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 dem Kaiser und blieb bis
zum Abschlüsse des Passauer Friedens (1552) dessen Gefangener. Sein Streben, nach seiner Rückkehr nach
Hessen eine neue Vereinigung aller Protestanten zu Stande zu bringen, scheiterte an den fortgeschrittenen Gegen-
sätzen zwischen ihnen sowohl in kirchlicher als auch in politischer Beziehung. Im eigenen Lande gelang ihm
die Sicherung der Katzenelnbogen'schen Erbschaft (1557) und die Wiedergewinnung früher innegehabter Lehen;
eine Universität war schon 1527 in Marburg gegründet worden. Er starb zu Cassel am 3i. März 1567. Seine
1 Rommel, Hessische Geschichte, V, S. 472, spricht nur von einem Bildnisse Philipp des Grossmüthigen.
2 Jakob Hofmeister, Gesammelte Nachrichten über Künstler und Kunsthandwerker in Hessen, herausgegeben von
G. Prior, Hannover 1885, S. 17.
3 Ursache war wohl die Uneinigkeit der protestantischen Fürsten bezüglich der Kriegführung. Uebrigens war Philipp,
der zu Lebzeiten seiner Gemahlin eine Nebenche mit dem Hoffräulein Margaretha von der Saal einging, schon 1540 darüber
in Zerwürfniss mit seinem Bundesgenossen gerathen. Die sechs Söhne der Nebenfrau führten den Titel Grafen von Dietz
und starben ohne Nachkommen.
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