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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0250
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222

Dr. Friedrich Kenner.

das zweite befindet sich noch im Museum von Basel. In einem Nachtrage zu jenem Inventare (vom
2. März i663) findet sich noch ein drittes Erasmusbild verzeichnet: »Erasmi Roterodami contrafait,
rund gemahlt« (ebenda, S. 368). Es ist noch vorhanden und wird von Woltmann (S. 273) als Copie
betrachtet. Von diesen drei Bildern bleiben die beiden zuletzt angeführten, da sie rund waren,
ausser Betracht. Dagegen war das an erster Stelle genannte (Nr. i3) nicht rund, sicher aber klein, auf
Papier gemalt und in einem Gehäuse verschlossen; diese Anzeichen und die meisterhafte Charakte-
ristik unseres kleinen Gemäldes, das nicht eine Copie zweiter Hand sein kann, legen die Vermuthung
nahe, dass letzteres auf jenes verschollene Bildchen zurückgehe.

Auffallend ist an unserer Copie nur der
graue Hintergrund, welcher der vollen Wirkung
des kleinen Gemäldes Eintrag thut, um nicht zu
sagen, sie vernichtet. Er kann weder im Origi-
nale vorhanden gewesen sein noch ist er dem
Copisten zuzuschreiben sondern erst später ent-
standen, indem der alte Hintergrund beschädigt
und mit stumpfer grauer Farbe übermalt wurde;
man sieht deutlich unter der Loupe, dass einzelne
Stellen der alten Contouren an der Haube, am
Kragen der Schaube, in der Nähe der rechten
Wange und längs des Rückens grau übermalt
sind und noch durchschimmern; auch das Haar-
büschel an der rechten Schläfe, das in den Grund
hineinreicht, ist mit grauer Farbe übermalt und
schimmert merkbar durch. Endlich ist auch der
Charakter der Buchstaben der Aufschrift völlig
von jenem der alten Aufschriften verschieden und
verräth eine viel spätere Zeit.

106. Fernberger von Auer Hans, Sohn

eines Landsknechtes aus Franken,1

geboren 1511, liess sich, ohne Schulbildung aufge-
wachsen, 1530 bei den kaiserlichen Truppen in Italien
anwerben, machte den dritten Krieg gegen Franz I.
Nr. 106. von Frankreich mit, gerieth, 1540 nach Ungarn ge-

schickt und bei dem Sturme auf Ofen verwundet, in
türkische Gefangenschaft, kaufte sich los und zeichnete
sich in dem vierten Kriege des Kaisers Karl V. gegen Frankreich trotz mehrfacher neuer Verwundungen aus,
wofür er auf dem Reichstage zu Regensburg (1545) mit dem Prädicate »von Aur« (nach seinem Geburtsorte) in
den Adelstand erhoben wurde. Nach wichtigen Diensten im schmalkadischen Kriege befand er sich 1552 auf der
kaiserlich-päpstlichen Flotte unter Andrea Doria, entkam nach der Niederlage, die diese an der calabrischen
Küste von den Türken erlitt, mit seinem Schiffe nach Sicilien und trat hierauf in spanische Dienste, in denen er
während des Krieges mit dem Papste Terracina behauptete. Im Jahre 1566 befehligte er ein kleines in Tirol ge-
worbenes Corps von Grenztruppen in Kroatien mit grossem Erfolge, wurde hierauf von den Ständen von Inner-
österreich zum Befehlshaber der gegen die Türken aufgebotenen Miliz ernannt, in welcher Stellung er die Ein-
fälle der Letzteren zurückschlug und die Grenze theilweise durch Eroberung einiger Orte erweiterte. 2 Zum
Danke hierfür von Kaiser Rudolf II. zum Stadtobersten von Wien ernannt (1580), starb er als solcher 1584. »Er
war klein von gestalt aber stark; er hat auch sein lebtag keinen wein getrunken, dahero er dann aus der
massen anschlägig gewest und ein fürbündige gute gedächtnuss gehabt, ob ihm wol dieses gefehlt, dass er in den
Studien unerfaren war.«

1 Nach Josef Bergmann, Medaillen auf berühmte und ausgezeichnete Männer des österreichischen Kaiserstaates, I, S. 185,
entstammte Fernberger einer adeligen Familie in untergeordneter Stellung.

2 Er lieferte tartarische Bogen und Pfeile in die Ambrasersammlung, die auch seine Rüstung bewahrt. Hirn, Erz-
herzog Ferdinand von Tirol, II, S. 431.
 
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