Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

DOI Heft:
Abhandlungen
DOI Artikel:
Schlosser, Julius von: Elfenbeinsättel des ausgehenden Mittelalters
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0321
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Elfenbeinsättel des ausgehenden iMittelalters.

289

Merkwürdiger und ergiebiger sind die Darstellungen auf den Minnetrühlein. Ein Lederkästchen
des XV. Jahrhunderts im germanischen Museum zu Nürnberg1 zeigt auf der Vorderseite ein nacktes
Liebespaar (die Frau ist, ähnlich wie die »Bademagd« in der Wenzelsbibel und die weiblichen Figuren
der Elfenbeinsättel so häufig, blos mit einem dünnen Schleier bekleidet); daneben allerlei Thiere: Ein
Elephant mit einem Palankin, ein Hase, Papageien, aber auch die Nachteule. Auf der Rückseite be-
findet sich ein nacktes Mädchen, das seinen Schleier öffnet, während das Einhorn auf dasselbe zu-
springt. Zur Seite: Bär, Hahn und Henne. Hier ist schon ein gewisser Gegensatz zwischen Jungfräu-
lichkeit und Weltliebe angedeutet. Der Deckel eines bei Viollet-le-Duc2 abgebildeten Holzkästchens

Fig. i3. Streit der Jungfräulichkeit und der Unkeuschheit.
(Holzschnitt der Hofbibliothek.)

(rheinisch, XIV. Jahrhundert) zeigt in Medaillons sechs Thiergestalten: 1. den gekrönten heraldischen
Adler; 2. den Affen mit Halseisen und Bogen; 3. die Sirene mit Vogelkörper (Harpye); 4. den Löwen (?);
5. die eigentliche Sirene (Meerweibchen), zwei Fische haltend; 6. einen Hund mit Halsband, im Maule
das Spruchband: »ich har«, oben rechts die Initiale: »C«. In einer Rosette findet sich dann noch der
Buchstabe: »h«. Die Vorderseite zeigt einen ruhenden Hirschen und eine weibliche Figur mit Spruch-
bändern; leider sind diese in Viollets Holzschnitte nicht lesbar.

Ganz im moralischen Sinne gewendet erscheinen diese Thierbilder in einem seltenen colorirten
Holzschnitte des XV. Jahrhunderts,3 betitelt: »Das ist der streit der unkeuscheit wider junckfrew-

1 Hefner, a. a. O., Bd. III, Taf. 22.

2 »Dictionnaire du mob. francais«, vol. I, p. 82, pl. 3.

'1 Wien, Kupferstichsammlung der Hofbibliothek, Fliegende Blätter Nr. 1, aus der Handschrift Nr. 33oi.

XV. 4 37
 
Annotationen