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Wendelin Boeheim.
wenn hier der Inhalt des Wiener Zeughauses wiedergegeben sein soll, dass auf Blatt 78 vier Schneereife
dargestellt sind.
Bemerkenswerth erscheint die auf Blatt 81 dargestellte Hagelbüchse, gleichfalls zu den Orgel-
geschützen zählend. Sie ruht auf einem zweirädrigen Karren und besitzt 40 Rohre vom Kaliber der
Handbüchsen. Zur Horizontalrichtung und Handhabung dient ein eiserner Bügel (Fig. 65).
Die meisten der nun folgenden Blätter sind jüngeren Datums; nur die vier letzten gehören der
Zeit um 1500 an. Wir bringen aus dieser ein ganz eigenthümlich gestaltetes Rohr mit nahezu kugel-
förmigem Bodenstücke, welches im Codex (f. 144) eine »schreiende Büchse« benannt wird (Fig. 66).
Gegen die Annahme, dass unser Codex den Inhalt des Wiener Zeughauses zur Anschauung
bringt, spricht der Umstand, dass er Darstellungen von Zeugsorten enthält, welche niemals nach Wien
gebracht worden sind. Dann aber erhebt sich auch ein Zweifel, ob mit den beiden Ansichten am
Beginne des Codex das Zeughaus zu Wien und nicht etwa jenes zu Innsbruck dargestellt ist. Dafür
sprechen allerlei bemerkenswerthe Umstände; zunächst, dass wir hier wiederholt das Monogramm des
Jörg Kölderer antreffen, der, wie wir wissen, in Innsbruck sass. Die vorliegende Darstellung aber
Fig. 66.
ist nur eine Copie eines von diesem Meister stammenden Originales. Sie ist m der Ausführung mittel-
mässig und die beiden Figuren darin sind in der Tracht einer späteren Zeit entsprechend verändert.
Dann darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass die zweite Aufschrift, mit welcher das Zeughaus als jenes
zu Wien bezeichnet wird, aus einer Zeit stammt, in welcher das damals so genannte »neu zeughaus«
bereits abgebrochen war.
Weder in dem Wiener Stadtplane von Augustin Hirsvogl von 1547 noch in jenem von
Bonifaz Wolmueth aus demselben Jahre findet sich an der angedeuteten Stelle im oberen Werd,
genau in der Verlängerung des Tiefen Grabens, von ersterem nur durch einen 14 Klafter breiten Donau-
arm getrennt, in welchen der Alsbach einmündete, ein ähnliches Gebäude wie das im Codex dargestellte.
Ungeachtet aller dieser wenig zutreffenden Ueberlieferungen ist es doch völlig ausgeschlossen, in den
beiden Abbildungen das Innsbrucker und nicht das Wiener Zeughaus zu erblicken. In Innsbruck
befand sich ursprünglich der bescheidene Zeugvorrath in der landesfürstlichen Burg. Herzog Fried-
rich Hess denselben am Beginne des XV. Jahrhunderts in die innere Stadt in jenes Gebäude verlegen,
welches später Maximilian I. mit dem »goldenen Dachl« zierte. Dieser Monarch erbaute das Zeug-
haus, im Osten an das Innthor stossend, welches, noch gegenwärtig vorhanden, die Innkaserne bildet.
Wendelin Boeheim.
wenn hier der Inhalt des Wiener Zeughauses wiedergegeben sein soll, dass auf Blatt 78 vier Schneereife
dargestellt sind.
Bemerkenswerth erscheint die auf Blatt 81 dargestellte Hagelbüchse, gleichfalls zu den Orgel-
geschützen zählend. Sie ruht auf einem zweirädrigen Karren und besitzt 40 Rohre vom Kaliber der
Handbüchsen. Zur Horizontalrichtung und Handhabung dient ein eiserner Bügel (Fig. 65).
Die meisten der nun folgenden Blätter sind jüngeren Datums; nur die vier letzten gehören der
Zeit um 1500 an. Wir bringen aus dieser ein ganz eigenthümlich gestaltetes Rohr mit nahezu kugel-
förmigem Bodenstücke, welches im Codex (f. 144) eine »schreiende Büchse« benannt wird (Fig. 66).
Gegen die Annahme, dass unser Codex den Inhalt des Wiener Zeughauses zur Anschauung
bringt, spricht der Umstand, dass er Darstellungen von Zeugsorten enthält, welche niemals nach Wien
gebracht worden sind. Dann aber erhebt sich auch ein Zweifel, ob mit den beiden Ansichten am
Beginne des Codex das Zeughaus zu Wien und nicht etwa jenes zu Innsbruck dargestellt ist. Dafür
sprechen allerlei bemerkenswerthe Umstände; zunächst, dass wir hier wiederholt das Monogramm des
Jörg Kölderer antreffen, der, wie wir wissen, in Innsbruck sass. Die vorliegende Darstellung aber
Fig. 66.
ist nur eine Copie eines von diesem Meister stammenden Originales. Sie ist m der Ausführung mittel-
mässig und die beiden Figuren darin sind in der Tracht einer späteren Zeit entsprechend verändert.
Dann darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass die zweite Aufschrift, mit welcher das Zeughaus als jenes
zu Wien bezeichnet wird, aus einer Zeit stammt, in welcher das damals so genannte »neu zeughaus«
bereits abgebrochen war.
Weder in dem Wiener Stadtplane von Augustin Hirsvogl von 1547 noch in jenem von
Bonifaz Wolmueth aus demselben Jahre findet sich an der angedeuteten Stelle im oberen Werd,
genau in der Verlängerung des Tiefen Grabens, von ersterem nur durch einen 14 Klafter breiten Donau-
arm getrennt, in welchen der Alsbach einmündete, ein ähnliches Gebäude wie das im Codex dargestellte.
Ungeachtet aller dieser wenig zutreffenden Ueberlieferungen ist es doch völlig ausgeschlossen, in den
beiden Abbildungen das Innsbrucker und nicht das Wiener Zeughaus zu erblicken. In Innsbruck
befand sich ursprünglich der bescheidene Zeugvorrath in der landesfürstlichen Burg. Herzog Fried-
rich Hess denselben am Beginne des XV. Jahrhunderts in die innere Stadt in jenes Gebäude verlegen,
welches später Maximilian I. mit dem »goldenen Dachl« zierte. Dieser Monarch erbaute das Zeug-
haus, im Osten an das Innthor stossend, welches, noch gegenwärtig vorhanden, die Innkaserne bildet.