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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 16.1895

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Ilg, Albert: Das Galeriewerk des Johann Christoph Lauch und Jakob Männl
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https://doi.org/10.11588/diglit.5778#0146
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Albert Ilg. Das Galeriewerk des Johann Christoph Lauch und Jakob Männl.

Dies also das genaue Verzeichniss mit dem Hinweise auf die Originale und ihre gegenwärtige
Eintheilung. Der Winkler'sche Katalog nennt zwölf Blätter, die seltensten, nämlich je eines nach
Verönese, Ann. Carracci, van Dyck, Fyt, Giordano, Lotto, Raphael, Ribera, Tintoretto, Tiziano, Carlo
Veneziano, Willeborts, — was merkwürdig zu unseren urkundlichen Nachrichten stimmt. Diese zwölf
seltensten Blätter sind streng genommen nur deren elf, da Fyt und Willeborts an Einem Blatte, d. h.
an dessen Vorbild, gemeinsam betheiligt waren. Es können aber sehr wohl ihrer zwölf gewesen sein,
weil von mehreren der hier genannten. Meister mehr als nur Ein Blatt in Männl's »Oeuvre« auf-
genommen ist. Da haben wir also wieder diejenigen Blätter, welche Männl schon bei Lebzeiten dem
Hofe übergeben hatte; sie müssen begreiflicher Weise nicht viel in Umlauf gekommen sein, während
die später von der Witwe verkauften wohl früher schon hie und da abgedruckt und in Verkehr ge-
bracht worden sein dürften. Uebrigens findet man alle Männl'schen Stiche, wenn sie in Auctions-
katalogen begegnen, fast immer als »selten« angeführt. Von denselben sind elf von Lauch gezeichnet
und von Männl geschabt; bei dem Uebrigen besorgte Letzterer beides. Die ersteren zeichnen sich im
Ganzen durch etwas reinere und klarere Formengebung und helleren Gesammtton aus, während Männl
zuweilen weniger sicher zeichnet. Seine Technik als Schabkünstler »knollig und unruhig« zu heissen,
scheint mir aber doch ein wenig zu streng. Die sterbende Magdalena von Palma Giov. ist zwar ziemlich
misslangen; andere Blätter aber sind trefflich gerathen, so besonders van Dyck's Samson, eine colo-
ristisch empfundene Arbeit von vieler Wirkung, welche daher Füessly, IV, p. 216, mit Recht besonders
hervorhebt. Wenn man die so grosse Verschiedenheit der Formate erwägt — sie wechseln zwischen
20 und 45 Centimeter Höhe und 17 bis 56 Centimeter Breite —, so wird es in der That schwer, zu
begreifen, dass Lauch und Männl solche von einander in der äusseren Erscheinung so auffällig ab-
weichende Blätter zu einem einheitlichen Werke, einer geschlossenen Edition, haben vereinigen wollen.
Vielleicht lag wohl solch eine Absicht von Anfang an, als Männl 1699 dem Kaiser sich antrug, »die
Galerie zu stechen«, vor. Aber es wird wohl so gekommen sein, dass, als dieses Project im Laufe der
Zeit J<eine feste Form bekommen wollte, der Künstler eben nach Lust und Laune fortarbeitete und,
seinem Geschrüacke folgend, bald dieses, bald jenes Format wählte, wie es ihn für die Wirkung gut-
dünken mochte. Von einem eigentlichen Lauch-Männl'schen Galeriewerke im Sinne analoger Suiten
zu reden, ist also im Grunde aus historischen wie aus formellen Ursachen nicht statthaft.

Wir fühlen sehr wohl, dass der Leser in dieser Darstellung des Unternehmens, des ersten graphisch-
publicistischen Versuches einer Herausgabe der Gemälde unserer Bildersammlung, noch eine Menge
Lücken otien linden wird. Lauch wie Männl treten unvermittelt als Künstler und als Repraesentanten
einer neuen Idee wichtig und bedeutsam entgegen und, was man von Beiden weiss, genügt doch kaum
zu ihrer kunsthistorischen Sicherstellung. Vielleicht werden künftige Forschungen ihr Bild bestimmter
abzurunden geeignet sein. Vielleicht stellt es sich einmal deutlicher dar, wie sie mit der grossen, all-
gemeinen Entwicklung der Kunst in jener Zeit zusammenhängen, welche ihre Ausgangspunkte gewesen
waren. Das Eine dürfte aber doch jetzt schon gewonnen sein, dass auf sie hingewiesen wurde als auf
Factoren von nicht gewöhnlicher, von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Die bisherige kunst-
geschichtliche Literatur kennt in den untergeordneten kurzen Notizen, die sie ihnen flüchtig widmet,
Lauch blos als einen Maler geringen Ranges und Männl als Kupferstecher ähnlichen Warthes. Wenn
man die Sache aber so ansieht, dass die Beiden zu den Ersten in Europa gehörten, welche sich überhaupt
mit der Idee befasst hatten, eine Galerie graphisch zu publiciren, wobei noch überdies der Eine seinem
Yaterlande eine ganz neue Technik erschloss, — dann sind die beiden beinahe unbekannten Künstler
nicht mehr die unbedeutenden Meister dritten und vierten Ranges unserer Künstler-Lexica sondern
Geister, welche schon vor 200 Jahren in Oesterreich eine Idee vertraten, die noch heute auf dem Ge-
biete des Galeriewesens allgemeine Geltung hat, rühmliche Zeugen also dafür, wie dieses Oesterreich
auch in solchen Dingen vielfach den Anderen vorausgegangen ist, mag ihm auch bei der Durchführung
seiner grundlegenden Absichten nicht immer das Glück gelächelt haben.
 
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