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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0045
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Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol.

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ziehen gedachte. Aber die schnelle und glückliche Eroberung auch dieses Königreiches und die Gefahr einer
französischen Oberherrschaft in ganz Italien verursachte einen Umschwung der Lage. Die italienischen Fürsten
rafften sich zum Widerstande auf. Die Drohung, den Franzosen den Rückweg nach Frankreich abzuschneiden,
bewog Karl VIII., eine Besatzung in Neapel zurückzulassen und sich mit einem Theile des Heeres den Rückzug
nach Frankreich zu erkämpfen. Auch dies gelang ihm in glänzender Weise; bei Fornovo am Taro (1495) be-
siegte er das vereinigte Heer der Italiener und kam mit geringen Verlusten durch; doch ging kurze Zeit darauf
Neapel den Franzosen wieder verloren. Karl VIII. starb in Amboise am 7. April 1498 und wurde in St. Denis bei-
gesetzt.1 Er war seit 1483 mit Erzherzogin Margaretha, Tochter des Königs Maximilian, verlobt, schickte aber
diese vor der Vermählung zurück und raubte Anne,
die Erbtochter Francois II. von Bretagne, die durch
Stellvertretung bereits mit Maximilian vermählt war,
um durch ihre Hand Frankreich das reiche Erbe zu er-
halten. Anne, geboren am 25. Jänner 1476, wurde am
6. December 1491 mit ihm vermählt und sah drei Söhne
und eine Tochter noch vor dem Vater in das Grab
sinken. Als Witwe vermählte sie sich zum zweiten
Male mit König Ludwig XII., dem Nachfolger ihres
ersten Gemahles, und starb am 9. Jänner 1514.

Zierliche Silberschrift: CAROLVS OCT AVVS
GALLLE REX. Brustbild links, fast von vorne, un-
bärtig, das lange, unten eingerollte Haupthaar
braun, die Brauen lichter braun, die Augen grau,
die Nase gebogen, die Oberlippe lang, der Mund
gross und voll, mit blossem Halse, auf dem Kopfe
ein schwarzer Hut mit aufgestellter Krampe, vorne
mit einer zweifachen Goldspange mit Perlen be-
setzt; an der schwarzen Schlupfe, welche die auf-
gestülpten Backentaschen verbindet, ein Gold-
ring mit rothen und blauen Steinchen; um die
Brust der Rand des gestickten Hemdes sichtbar,
darüber ein Rock aus Goldstoff mit dunkelgrauen
Ornamenten, das ärmellose Oberkleid schwarz,
mit breiter, brauner Pelzverbrämung. Um die
Schultern ist die aus Muscheln und Knoten ge- Nr- '59-

bildete Collane des Michaelsordens gelegt. Grund

gelblichgrau, rings um den Kopf ins Lichtere spielend. — Katalog Nr. 217 (Primisser), 218 (v. Sacken).
München, Fickler, Inventar, f. 2679 (v. Reber II, 26), verschollen.

Der venezianische Botschafter Zaccaria Contarini schildert im Jahre 1492 den damals 22 jährigen
König als ärmlich in seiner persönlichen Erscheinung: dicker Kopf, dünne Beine, ein hässliches Gesicht
mit grossen glanzlosen Augen, übermässig starker Adlernase, dicken Lippen, die er stets geöffnet hält,
dazu eine schleppende Rede und hässliche Bewegungen, die er fortwährend mit der Hand macht.
Aber, fügt er bei, er ist tüchtig in ritterlichen Uebungen, ein Nachahmer Karls des Grossen, den er
zum Vorbild wählte, stets von Paladinen und Unternehmungen im Oriente träumend, dabei von grosser
Arbeitskraft in den Regierungsgeschäften. Man wird schwerlich mit dieser Schilderung das schöne, dem
Leonardo da Vinci zugeschriebene jugendliche Bildniss des Königs im Louvre2 vereinigen können.
Wohl aber stimmen dazu die anderen sicheren Porträte. Zu diesen gehört eine unserem Bilde ähnliche
Miniatur der Bibliotheque de France aus der Sammlung Gaignieres, die, zwischen 1490 und 1491 ent-
standen, den König in gleicher Wendung, unbärtig und mit schwarzem niederen Hute darstellt;3 nach

1 Ueber das von Guido Mazzoni de' Paganini aus Modena im Jahre 1507 vollendete und 1793 zerstörte Grabmal vgl.
Archivio Storico dell' arte III (1890), p. 21 (von Venturi), und A. Heiss, Les medailleurs de la Renaissance, Spinelli, p. 27.

2 Delpech I unter Charles, aus dem Musec Royal.

3 Gazette archeologique XIII (1888), p. 112.
 
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