Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

DOI Heft:
Abhandlungen
DOI Artikel:
Boeheim, Wendelin: Die aus dem kaiserlichen Schlosse Ambras stammenden Harnische und Waffen im Musée d'Artillerie zu Paris
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0242
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die aus dem kais. Schlosse Ambras stammenden Harnische und Waffen im Musee d'Artillerie zu Paris.

2 19

so wenig sehenswürdiges vorhanden wäre, und wollte mir kaum glauben, dass alles so rein geflüchtet
worden wäre.

»Darauf kamen wir in den Gangsaal, wo unter andern eine Sammlung von Gewehren der alten
Erzherzoge sich befindet. Hier fingen sie an zu räumen, und es hatte das Ansehen, als ob sie alles
wegplündern wollten. Am Ende blieb es bey vier Paar Pistolen und drei längeren Schiessgewehren,
die sie wegnahmen.

»Zuletzt kam es an den Bücherkasten, woraus der erstbesagte Commandant ordonnateur den
Atlas von Peter Anich, ein anderer aber zwei Bände von den Handzeichnungen herausgenommen, die
von Madame Prestel in Augsburg herausgegeben worden. So endigte sich der erste Besuch.

»Den 27. in der Frühe bekam ich ein Billet, ich sollte mich alsogleich zu dem französischen Kriegs-
Commissäre begeben. Als ich dahin kam, wurde mir kund gemacht, General Sibein werde um halb
11 Uhr kommen, das Schloss zu sehen. Ich fuhr hinaus, der General kam mit mehreren bayrischen
Offizieren und nach ihm alle die Franzosen, welche das vorige mal da waren. Hier gieng nun die
Plünderung erst recht an. Wenigstens 3o Stück Gewehre wurden weggetragen; denn man musste
mehrere Kästen zugleich offen stehen lassen und ein jeder nahm mit sich, was ihm anstand. In der
Schatzkammer gieng es ebenso; nicht nur die Franzosen sondern auch die bayrischen Offiziere steckten
ein, was sie konnten; die ersteren öffentlich, die letzteren heimlich vor dem General, der sein Misfallen
über dieses Betragen die ganze Zeit hindurch sehr deutlich zu erkennen gab.

»Ja er selbst wird dieses unanständige Benehmen unter vier Augen bezeugen und mehr andere
Leute vom Spitale, die Augenzeugen davon waren.

»Es kam noch der Umstand dazu, dass nur ein einziger Schlosswächter zugegen war, weil einer
davon krank liegt, der andere aber gestorben ist. Da es mir also unmöglich ist, zu bestimmen, was
für Stücke und wie viele aus jedem Theile der Sammlung weggenommen worden, so sehe ich mich
genöthigt, eine hohe tyrolische Landesregierung zu bitten, dass sie mich in Ansehung des Vergangenen
der Verantwortlichkeit befreyen wolle und fürs künftige die Schlüssel. . . (Tintenklex im Concepte)
Kabinets zu sich nehmen wolle, die ich in dieser Lage unmöglich mehr behalten kann, ohne dass ich
Gefahr laufe, alles Preis geben zu müssen. Die hochlöbliche Landesregierung wird Mittel finden, theils
durch ihr Ansehen, theils durch gute Worte, am rechten Orte angebracht, immer Unordnung Schranken
zu setzen, die ich als ein einzelner ganz sich selbst überlassener Beamter nicht hindern kann.« 1

Auf diesen objectiven Bericht des Schlosshauptmannes erfolgte folgender Befehl der oberöster-
reichischen Regierung:

»In Hinsicht der gegenwärtig obwaltenden Verhältnisse und Umstände findet man dem Herrn
Schlosshauptmann andurch den Auftrag zu ertheilen, die Schlüssel der Kästen von den Raritäts-Samm-
lungen sogleich anher in Verwahrung abzugeben. Innsbruck den 28. December 1805.

Von der o. ö. Landesstelle und nördlicher Activitaet
Paris Graf Wolkenstein. Johann Strobl.«2

Entsprechend den Bestimmungen des Friedensvertrages wurden alle Einleitungen getroffen, um
die Sammlung von Ambras nach Wien abzuführen, und über Befehl des Kaisers Franz I. der Director
des Münz- und Antikencabinetes Franz Neumann3 mit dem Bildhauer dieses Cabinetes Franz Christian
Thaler4 zur Uebernahme derselben nach Tirol abgeordnet, welche beide aber erst im Laufe des
Monates Jänner in Innsbruck anlangten.

Die Vorstellungen der österreichischen Landesbehörde bei dem neu ernannten Intendanten von
Tirol, Staatsrath Goswin Baron von Stassart,5 betreffs Vermeidung weiterer Enteignung von Gegen-
ständen der Sammlung im Schlosse Ambras, veranlassten diesen zu der folgenden Note:

1 Registr. ad 1805, Nr. 152. 2 Registr. ad 1805, Nr. 153. Deput. Nr. 1220.

3 Gewöhnlich Abbe Neumann genannt, geb. 1744, gest. 1816. 4 Thaler, geb. 1759, gest. 1817.

5 Goswin Josef Augustin Baron de Stassart, geboren zu Mecheln am 2. September 1780, wurde 1805 zum Inten-
danten von Tirol ernannt und starb zu Brüssel am 16. October 1854. Er ist als trefflicher Fabeldichter bekannt.

28*
 
Annotationen