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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Boeheim, Wendelin: Die aus dem kaiserlichen Schlosse Ambras stammenden Harnische und Waffen im Musée d'Artillerie zu Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0248
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Die aus dem kais. Schlosse Ambras stammenden Harnische und Waffen im Musee d'Artillerie zu Paris.

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Diese Beinkleider bildeten aber einen Theil der Massstücke, welche Seusenhofer aus Paris mit-
bekommen hatte, um seinen Harnisch passend zu fertigen. Ein Wamms (Joppe), das sicher auch mit-
gegeben wurde, war schon 1596 nicht mehr vorhanden.

In dem Proces verbal ist auch von einem Pferdeharnisch, geziert mit Meergöttern, die Rede.
Man nahm diesen aus der Ursache mit, weil der Harnisch Franz I. auf diesem postirt angetroffen und
als zugehörig betrachtet wurde. Dieser Pferdeharnisch war aber bereits im Jänner 1539 für Kaiser
Ferdinand gefertigt und an den Hof nach Prag gesendet worden, von wo er erst 1564, nach dem Ab-
leben des Letzteren, nach Ambras gelangte.1

Der aus Ambras stammende, Franz I. zugeschriebene Harnisch war in Paris nie mit irgend einem
anderen verwechselt worden; vor einer solchen Eventualität schützte ihn seine charakteristische Ver-
zierung, in welcher das häufige Auftreten der Bourbon'schen Lilie besonders augenfällig erscheint.
In der »Notice abregee des collections dont se compose le Musee de TArtillerie« (Paris 1827) finden
wir den Harnisch unter Nr. 26; unter Napoleon III. kam er in das von diesem gebildete Musee des
souverains in den Louvre, von wo er nach dem deutsch-französischen Kriege wieder in das Musee
d'Artillerie zurückgelangte, woselbst er gegenwärtig die Nummer G 117 trägt.2

Von 1806 also bis zur Gegenwart ist dessen Identität vollkommen sichergestellt und es läge uns
also nur ob, diese bis 1539 hinauf zu erweisen. Das ist allerdings nicht mehr möglich; aber wir finden
den Harnisch schon in dem ersten gedruckten Katalog der Waffen von Ambras von 1593 erwähnt und
acht Jahre später in einem grossen Kupferstichwerke bereits abgebildet.

Als nach dem Tode der Philippine Welser 1580 Erzherzog Ferdinand seine Sammlung von Har-
nischen und Waffen berühmter Männer anzulegen begann und sich an verschiedene Höfe und Persönlich-
keiten wendete, um Objecte für sie zu erhalten, hatte er schon ursprünglich im Sinne, ein grosses Bilder-
werk herstellen zu lassen, um den Geschenkgebern mit einer Gegengabe zu dienen. In diesem Pracht-
werke in Folio sollten die Abbildungen aller Helden, in die vorhandenen Harnische gekleidet, Aufnahme
finden. Der Erzherzog betraute mit dessen Herstellung seinen Secretär Jacob Schrenckh von Notzingen
im Jahre 1582. Seine Vollendung erlebte der Prinz jedoch nicht mehr; denn es erschien erst 1601 mit
125 Kupfertafeln bei Johannes Agricola (Bauer) in Innsbruck. Die Zeichnungen zu den Kupfertafeln
sind von Johann Fontana, die Stiche von Dominicus Custos.3 Der überaus langathmige lateinische
Titel ist hier nicht wiederzugeben; wir bezeichnen es darum nur kurz als Armamentarium heroicum.4

Im Jahre i6o3 erschien von diesem Werke eine deutsche Ausgabe von dem Hofsecretär des Erz-
herzogs, Engelbrecht Noyse von Campenhouten, und 1735 bei Christ. Weigels sei. Witwe unter dem
Titel »Ombraßische Helden Rüst-Kammer« eine weitere deutsche Ausgabe in Quart mit dem Texte
von Campenhouten von dem bekannten Johann David Köhler in Nürnberg mit trefflichen Copien der
Tafeln.

In dem Schrenckh'schen Werke besitzen wir ein unanfechtbares Mittel zur Controle, durch welches
wir im Stande sind, die Identität der Harnische von Ambras bis nahe an 1582 hinauf festzustellen. Es
gibt kein rascheres und sichereres Mittel des Vergleiches, als uns das Bild zu bieten im Stande ist, und

1 Im Jahre 1546 wird Seusenhofer neuerdings zu Ferdinand I. nach Prag berufen und ihm dort nebst Anderem der
Auftrag ertheilt, einen geätzten Pferdeharnisch, »inmassen er uns zuvor (1539) gemacht«, zu fertigen. So kam es, dass
bis 1806 zwei Pferdeharnische ganz gleicher Form und Zier in Ambras vorhanden waren. Jener von 1539 ist nun in Paris,
jener von 1547 in der kaiserlichen Waffensammlung zu Wien. Der Pariser Harnisch ist abgebildet in dem Photographie-
werke: »Le Musee d'Artillerie«, I. Bd. (1892) auf Tafel 21, der Wiener findet sich in Tafel XVII von Boeheims »Album der
hervorragendsten Gegenstände der Waffensammlung des kais. Hauses« wiedergegeben.

2 Eine uns ganz unerklärliche Notiz findet sich in der Wiener Zeitschrift von 1836 vom 15. November, Notizen-
blatt 46; es heisst da: »In einem Cabinete der königl. Bibliothek zu Paris sind vor Kurzem die prachtvollen Waffenstücke
der Herzoge von Burgund, dann Heinrichs IL, Franz' L, Heinrichs IV., Sully's und Ludwigs XIII. aufgestellt worden. Bisher
hatten sie sich in dem Schlosse des Prinzen von Conde zu Chantilly befunden.«

3 Ueber das Schrenckh'sche Armamentarium heroicum findet sich Weiteres bei Boeheim, »Regesten aus der k. k. Hof-
bibliothek«, Jahrbuch, Bd. VII, p. CLXXXIX.

4 Es ist von 1582 an immer an dem Werke gearbeitet worden; aber der Kupferstecher, viel mit anderen Arbeiten
beschäftigt, verzögerte die Vollendung. Das Titelblatt trägt die Jahreszahl 1582, ein anderes Blatt 1586.

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