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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Schlosser, Julius von: Tommaso da Modena und die ältere Malerei in Trevisio
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0311
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Tommaso da Modena und die ältere Malerei in Treviso.

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Treviso beobachtet; diese Fresken überraschten mich jedesmal wieder von Neuem durch ihre maleri-
sche Stimmung, die fast im alten Glänze hervortrat, als der Intonaco zum Zwecke der photographischen
Aufnahme leicht befeuchtet wurde.

Nicht minder erinnert die Behandlung des nackten Körpers in seiner graziösen Weichheit (siehe
die Darstellung der Taufe des Ethereus) sehr an den Act der heil. Lucia in der Darstellung ihres Mar-
tyriums in Padua. Desgleichen kehrt die bedeutende Verwendung des reichsten architektonischen
Hintergrundes hier wie dort wieder.

Sind wir nun in der Lage, den Meister dieses hervorragenden Werkes namhaft machen zu können?
Dass er ein Einheimischer, d. h. ein Angehöriger der venetischen Schule ist, glaube ich in Obigem
genugsam dargethan zu haben. Bailo hat nun in seiner Broschüre einen bestimmten Namen ge-
nannt, den des bedeutendsten Malers seiner Vaterstadt im XIV. Jahrhundert, eben den des Tommaso
da Modena. Als Zeugen finden wir ihn in der That im Jahre 1358 in S. Margherita erwähnt; es ist also
in hohem Grade wahrscheinlich, dass er dort mit grösseren Aufträgen beschäftigt war. Aber ich muss
bekennen, dass mir die Zutheilung Bailos, obwohl ich sie für sehr wahrscheinlich halte, dennoch weniger
stilkritischen Gründen als jenem dem Localhistoriker eigenthümlichen und so leicht begreiflichen,
vielfach auch gewiss berechtigten Bestreben ihren Ursprung zu verdanken scheint, ein hervorragen-
des Werk auch dem hervorragendsten Meister derselben Periode zuzuschreiben. Gleichwohl scheint
mir die Sache zum Mindesten discutirbar zu sein, obwohl ich ehrlich gestehe, dass auch ich die Autor-
schaft Tommasos nicht bis zur vollen Evidenz nachzuweisen im Stande bin. Der kräftige Realismus der
Figuren kehrt in dem bezeichneten Hauptwerke des Tommaso im Capitelhause von S. Niccolö wieder
und in der That scheint mir z. B. der ausdrucksvolle Kopf des Albertus Magnus mit dem des Königs
Nothus (3. Fresco) namentlich in der Augen- und Mundpartie sehr viel Uebereinstimmendes zu be-
sitzen. Auch die Behandlung der Details, z. B. der Hände mit ihren charakteristischen Nägeln, des-
gleichen der Ohren (vgl. den englischen König des 2. Fresco oder die Gruppe der Bischöfe auf dem
7. Fresco), die Zeichnung der Stirnfalten und Augenbrauen erscheint sehr verwandt. Die schöne Figur
der Mutter der heil. Ursula (3. Fresco) hat entschieden ausserordentlich viel Aehnlichkeit mit der Ma-
donna auf der Wiener Tafel, eine Aehnlichkeit, die nicht blos auf Rechnung der fast identischen Nei-
gung und Haltung des Hauptes zu stehen kommt. Namentlich ist die gleichartige Behandlung der
Augen und der Lippen in beiden Stücken sehr auffallend. Dann erinnert nicht nur der Typus der
Köpfe sondern auch die ganze Haltung der Figuren überhaupt, ganz besonders in der Darstellung der
heil. Ursula mit ihren Jungfrauen, an die beiden weiblichen Heiligen der Pfeilergemälde von S. Niccolö,
besonders an die heil. Agnes, in schwächerem Grade auch an die Engel des Karlsteiner Altars. Doch
halte ich, wie gesagt, die Frage nicht für endgiltig gelöst. Es ist vorderhand nur hypothetisch, wenn
wir die Fresken von S. Margherita in das Werk Tommasos aufnehmen.

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