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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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I. Theil: Abhandlungen
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Suida, Wilhelm: Die Jugendwerke des Bartolommeo Suardi genannt Bramantino
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0018
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Die Jugendwerke des Bartolommeo Suardi, genannt Bramantino.

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auf bewunderungswürdige Weise ist es ihm gelungen, ganz von den Gesetzen des Bildnerischen aus-
gehend, die Einheit für das Auge herzustellen, so daß wir uns erst bei genauerer Betrachtung über den
Konflikt klar werden, den das Bild in sich birgt. Denken wir, wie ungefähr um die gleiche Zeit ein
Hans Memling die sieben Freuden oder die sieben Schmerzen der Maria darstellt, in einer weiten Land-
schaft die einzelnen Szenen frei verteilend, so wird uns noch deutlicher bewußt, worin die wesent-
lichen Eigentümlichkeiten von Bramantinos Bild beruhen : in der Zusammendrängung alles zeitlich

Fig. 6. Gio. Ant. Omodeo, Verkündigung.
Paris, Louvre.

Geschiedenen in einen Moment des Erlebens für den Beschauer, der von einem Punkte aus, denselben
Gesetzen des Schauens, der Perspektive, unterworfen, diese Dinge gewahrt, so daß er zunächst gar nicht
auf den Gedanken kommt, rechts im Hintergrunde beginnend und dann im Kreise herumblickend,
diese einzelnen Vorgänge als nach einander geschehend sich zu erklären. Es ist dies ein Werk, wel-
ches den den Italienern eigentümlichen Sinn für das Bildnerische, im Speziellen den für das Konstruk-
tive, das die Lombarden auszeichnet, deutlich, ja ich möchte sagen, in extremer Weise zeigt. Starren
Gesetzen der unveränderlichen Materie unterwirft der Künstler selbst zeitliches Geschehen. Und zu-
gleich geht Bramantino in einem solchen Bilde an die Grenze der Möglichkeiten der bildenden Kunst:
versucht er doch das Wunder selbst, die Umwandlung der Menschen in Bäume, die Umwandlung der
 
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