Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Suida, Wilhelm: Die Jugendwerke des Bartolommeo Suardi genannt Bramantino
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0020
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Jugendwerke des Bartolommeo Suardi, genannt Bramantino.

15

Schüler geworden. Der mächtige Zeustypus mit dem großen Auge, der leicht gebogenen Nase, dem
kurzen Bart und dem übermäßig reichen, gelockten Haar erinnert uns sogleich an den Herakles, den
Christophorus Bramantes (Zeichnungen in Berlin und Kopenhagen, Fig. 8).1 Für Merkur, dessen
jugendliches Antlitz von braunem Lockenschwall umrahmt ist, glauben wir das Vorbild in den Fres-
ken der Casa Prinetti (Fig. 10) wahrzunehmen. So gehen auch Philemon und Baucis auf die braman-
tesken Formen ursprünglich mantegnesker Typen zurück. Doch haben alle eine Umwandlung nach
der Seite des Zarten, Sensitiven hin erfahren, was besonders bei Zeus ersichtlich ist. Dem Bramante
verdankt Suardi jedenfalls auch die Förderung in der Kenntnis des Nackten, welche ihn befähigte, die
Oberkörper von Zeus und Merkur (auf dem Gemälde links) so trefflich zu modellieren. Doch scheint
das Vorbild eher eine Bronzestatue als ein lebender Körper zu sein.

In der Gewandbehandlung macht sich eine immer größere Fülle, verbunden mit immer reicherer
Detaillierung, geltend. Ja es scheint fast, als hätte der Künstler, der im Aufbau der Komposition, in
der Bewegung der Figuren sich
den strengsten Zwang aufer-
legte, in dem freien Spiel des
Faltenwurfes seiner Phantasie
volle Freiheit gewähren wol-
len; so mannigfach sind die
Motive der eilig aufgerafften,
majestätisch von den Schultern
niederfallenden oder in reicher
Verschlingung als Turban den
Kopf bedeckenden Stoffe.

Die Landschaft ist jener
auf dem Ambrosianabilde sehr
ähnlich. In ihr ist eine merk-
würdige Verbindung von Na-
turstudium und Stilisierung zu
gewahren. Zu beiden Seiten
des die Mitte erfüllenden roten
Ziegelbaues (der Hütte des F;g_ g_ Bramantej Der heil. Christophorus (Detail).

Philemon) ragen, eine talartige Kopenhagen, kgi. Sammlung.

Senkung umschließend, jene

phantastischen zackigen Berge oft senkrecht, oft auch überhängend auf, die wir kennen. Wieder eine
Stadt oder vielmehr ein Komplex von ödem Gemäuer am Fuße der Felsen bis nach dem Vordergrunde
zu sich erstreckend. Der gerade in der Mitte aufragende Doppelbaum, dessen Zweige und Blätter sich
von dem Himmel dunkel abheben, erscheint fast zu einem ornamentalen Gebilde stilisiert. Die Wolken
zeigen an manchen Stellen noch die merkwürdigen gekräuselten Umrisse wie auf manchen Werken
Butinones, der Pietä in Berlin (Fig. i3) und der Predella des Altarwerkes zu Treviglio (Fig. 4).

Der kräftigen Formensprache entspricht auch die Anwendung heiterer, beinahe bunter Farben,
welche — das ist sehr auffallend — aus einem dunkleren Tone ins Licht gehöht und zu ihrer Potenz
gebracht erscheinen, während durch weißliche aufgesetzte Glanzlichter die Modellierung vollendet
wird. Es wird dadurch der Eindruck erzielt, als wäre jede einzelne Gestalt im Binnenraume einseitig
beleuchtet. Da tritt aus dunkelgrauen Falten ein milchiges Blau, aus rötlichbraunen Schatten ein
kräftiges Gelb hervor, ein Zinnoberrot und ein dunkelleuchtendes Olive kommen dazu. Die Hautfarbe

1 Die erste von W. von Seydlitz (Abbildung im Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen 1887), die zweite von mir
bestimmt und darnach in dem Werke «Handzeichnungen alter Meister aus der Albertina und anderen Sammlungen» von J. Meder
publiziert. Eine weitere echte, bisher unbeachtete Zeichnung Bramantes besitzt die Sammlung der Uffizien, ein sitzender
nackter Mann, Federskizze auf graugelbem Papier, als «Maniera di Mantegna» ausgestellt (Nr. 334) (FiS- 9)-
 
Annotationen