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Wilhelm Suida.
für eine seitliche Beleuchtung von rechts oder links eine genügende Erklärung vorhanden war, gleich-
wohl aber eine schärfe Sonderung von Licht und Schatten zur Erhöhung des plastischen Charakters
der Figuren erforderlich schien. Er hätte die plastische Wirkung abgeschwächt, wenn er das Licht
als einfach von vorne gerade auffallend, wie die Natur es hier zeigt, angenommen hätte. Zugleich
weiß durch diesen Kunstgriff unser Meister aber auch den geheimnisvollen Reiz seiner Gestalten zu
erhöhen. Ob Bartolommeo bei seiner ausgesprochenen Liebe und Begeisterung für das klassische
Altertum wohl wußte, daß im griechischen Tempel der um die Außenwand der Cella laufende Fries
seine Beleuchtung von unten erhielt?
Für die Gewinnung der Datierung dieser
beiden Freskobilder kann die in der Formen-
gestaltung zutage tretende Beziehung zu
Bramante, verbunden mit dem in der Licht-
behandlung sich geltend machenden Ein-
drucke der Kunst Lionardos, als bestimmend
erachtet werden.
Ein kleines Bild wäre noch anzuführen,
das in manchen Zügen der «Anbetung»
der Ambrosiana überraschend verwandt er-
scheint. Das Bildchen des heil. Ambrosius
mit Stifter, dem heil. Franz und einem Bi-
schof in der Galerie von Bergamo (Lochis
Nr. 24, Fig. 17) zeigt gleiche langgestreckte
Figuren mit kleinen Köpfen, ausdrucksvollen
Handbewegungen. Die dürftig behandelte
Gewandung und die Landschaft weichen
aber von Bramantino stark ab. So vermögen
wir also hier nur eine Nachahmung des Ju-
gendstiles Suardis zu erblicken.
Es erscheint nicht überflüssig, an die-
ser Stelle eine kurze Bemerkung über die
Wandlungen, welche sich in Bramantinos
Jugendwerken in der Bildung der Hand ver-
folgen lassen, einzufügen. Dieselbe hat auf
den frühesten Werken die den mailändi-
schen Bildhauern, besonders Omodeo, cha-
rakteristische Form, welche man als die
dreieckige bezeichnen könnte; denn in ein Dreieck, dessen Eckpunkte die Handwurzel, der Ansatz des
Daumens und die Spitze des Mittelfingers bilden, läßt sich die Hand einfügen mit Ausnahme des Dau-
mens, der angegliedert ist. Noch im Kölner Bilde begegnet uns diese Form, um dann der auf strenges
Naturstudium zurückzuführenden, wie sie uns bei dem Christus des Conte del Mayno begegnet,
Platz zu machen. Die darauf folgende leichte Stilisierung, wenn wir das starke Betonen der Gelenke
und der Bewegungsfähigkeit so bezeichnen dürfen, vollzog sich zweifellos unter dem Eindrucke von
Lionardos Kunst. Man vergleiche, sich hiervon zu überzeugen, die Hand der Madonna in S. Maria
delle Grazie und auf gleichzeitigen, sogleich zu besprechenden Zeichnungen Bramantinos mit der-
jenigen auf dem mutmaßlichen Porträte der Cäcilia Gallerani von Lionardo (in der fürstl. Czarto-
ryskischen Sammlung zu Krakau, Fig. 18). Aus dieser Form ging — dazu finden sich die Ansätze
schon im Gemälde der Lady Layard — bei Bramantino die für die spätere Zeit typische hervor. Die
Betonung der Gelenke verlor sich, wohl aber teilte sich der ganzen Hand eine bisweilen bis in ein
Extrem gesteigerte Beweglichkeit und Sensitivität mit.
Fig. 18. Lionardo, Dame mit Wiesel.
Krakau, fürstl. Czartoryskische Galerie.
Wilhelm Suida.
für eine seitliche Beleuchtung von rechts oder links eine genügende Erklärung vorhanden war, gleich-
wohl aber eine schärfe Sonderung von Licht und Schatten zur Erhöhung des plastischen Charakters
der Figuren erforderlich schien. Er hätte die plastische Wirkung abgeschwächt, wenn er das Licht
als einfach von vorne gerade auffallend, wie die Natur es hier zeigt, angenommen hätte. Zugleich
weiß durch diesen Kunstgriff unser Meister aber auch den geheimnisvollen Reiz seiner Gestalten zu
erhöhen. Ob Bartolommeo bei seiner ausgesprochenen Liebe und Begeisterung für das klassische
Altertum wohl wußte, daß im griechischen Tempel der um die Außenwand der Cella laufende Fries
seine Beleuchtung von unten erhielt?
Für die Gewinnung der Datierung dieser
beiden Freskobilder kann die in der Formen-
gestaltung zutage tretende Beziehung zu
Bramante, verbunden mit dem in der Licht-
behandlung sich geltend machenden Ein-
drucke der Kunst Lionardos, als bestimmend
erachtet werden.
Ein kleines Bild wäre noch anzuführen,
das in manchen Zügen der «Anbetung»
der Ambrosiana überraschend verwandt er-
scheint. Das Bildchen des heil. Ambrosius
mit Stifter, dem heil. Franz und einem Bi-
schof in der Galerie von Bergamo (Lochis
Nr. 24, Fig. 17) zeigt gleiche langgestreckte
Figuren mit kleinen Köpfen, ausdrucksvollen
Handbewegungen. Die dürftig behandelte
Gewandung und die Landschaft weichen
aber von Bramantino stark ab. So vermögen
wir also hier nur eine Nachahmung des Ju-
gendstiles Suardis zu erblicken.
Es erscheint nicht überflüssig, an die-
ser Stelle eine kurze Bemerkung über die
Wandlungen, welche sich in Bramantinos
Jugendwerken in der Bildung der Hand ver-
folgen lassen, einzufügen. Dieselbe hat auf
den frühesten Werken die den mailändi-
schen Bildhauern, besonders Omodeo, cha-
rakteristische Form, welche man als die
dreieckige bezeichnen könnte; denn in ein Dreieck, dessen Eckpunkte die Handwurzel, der Ansatz des
Daumens und die Spitze des Mittelfingers bilden, läßt sich die Hand einfügen mit Ausnahme des Dau-
mens, der angegliedert ist. Noch im Kölner Bilde begegnet uns diese Form, um dann der auf strenges
Naturstudium zurückzuführenden, wie sie uns bei dem Christus des Conte del Mayno begegnet,
Platz zu machen. Die darauf folgende leichte Stilisierung, wenn wir das starke Betonen der Gelenke
und der Bewegungsfähigkeit so bezeichnen dürfen, vollzog sich zweifellos unter dem Eindrucke von
Lionardos Kunst. Man vergleiche, sich hiervon zu überzeugen, die Hand der Madonna in S. Maria
delle Grazie und auf gleichzeitigen, sogleich zu besprechenden Zeichnungen Bramantinos mit der-
jenigen auf dem mutmaßlichen Porträte der Cäcilia Gallerani von Lionardo (in der fürstl. Czarto-
ryskischen Sammlung zu Krakau, Fig. 18). Aus dieser Form ging — dazu finden sich die Ansätze
schon im Gemälde der Lady Layard — bei Bramantino die für die spätere Zeit typische hervor. Die
Betonung der Gelenke verlor sich, wohl aber teilte sich der ganzen Hand eine bisweilen bis in ein
Extrem gesteigerte Beweglichkeit und Sensitivität mit.
Fig. 18. Lionardo, Dame mit Wiesel.
Krakau, fürstl. Czartoryskische Galerie.