Die Jugendwerke des Bartolommeo Suardi, genannt Bramantino.
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zu Pferde und zu Fuß die Verwandten des jungen Römers, durch dieses plötzlich entstandene
Hindernis an der weiteren Verfolgung verhindert, unwillig Halt machen.
LA VERGINE MATRE PLACÖ IL FILIO QVALE PERGLI PEGCATI VOLEVA DISTRVERE IL MONDO
OFFERENDOLI S. DOMENICO ET S. FRANCESCO QVALI CON LA LOR DOCTRINA ET EXEMPLARITÄ LO
HAVESSENO A CONVERTIRE.1 Zwietracht und Gewalttätigkeit unter den Menschen schildert die Szene
des Vordergrundes: ein junger Mann, der unrechtmäßig Gut sich geraubt, wird von Frauen und
Kindern gezerrt; ein Mann hat einen anderen mit einer Keule zu Boden gestreckt. Auf einer Anhöhe
zu Häupten dieser Unglücklichen knieen die Heiligen Franziskus und Dominikus, Vergebung der
Fig. 36. Auferweckung eines herabgestürzten Architekten durch den heil. Dominikus.
Mailand, S. Maria delle Grazie.
Schulden von Christus erflehend. Über ihnen erscheint die Madonna, ihr Gebet dem Sohne empfehlend.
Ganz oben in den Wolken war wohl die Gestalt Christi zu sehen, sie ist jetzt verschwunden.
Diese sechs Darstellungen sind uns allein von einem großen Zyklus von Fresken erhalten ge-
blieben und sie in einem recht verwahrlosten Zustande.2 Gleichwohl läßt uns eine eingehendere Be-
trachtung der in chiaroscuro ausgeführten Malereien nicht in Zweifel darüber, daß sie von unserem
Bramantino stammen. Die Ausführung ist eine sehr breite, beinahe dekorative, wobei jedoch in
Zeichnung und Modellierung sehr feine Züge nicht fehlen, so daß das große Können und die Bedeutung
des Meisters sich darin deutlich ausprägen. In einer bis auf Bramantino nicht gekannten Art wird es
versucht, im Grisaille eine Art von Luftperspektive anzudeuten, dadurch daß die vorderen Gestalten
kräftig mit Weiß gehöht hervortreten, die im Hintergrunde befindlichen nur mehr durch dunkle
Umrißzeichnung vom grauen Grunde sich abheben. Die perspektivische Verkürzung, in welcher z. B.
1 Die jungfräuliche Mutter besänftigte den Sohn, der die Welt wegen ihrer Sünden vernichten wollte, indem sie die
Heiligen Dominikus und Franziskus ihm wies. Diese vermochten es, durch ihre Lehre und ihr Beispiel die Welt zu bekehren.
2 Die noch sehr ungenügende Reinigung der Fresken, welche ich mit der Erlaubnis des Ufficio Regionale im Sommer
1900 begann, ließ wenigstens die bis dahin durch eine dicke Schichte von Staub unkenntlich gewordenen Kompositionen
klar zum Vorschein kommen. Ich erfuhr hiebei freundliche Unterstützung von dem Maler Orcste Silvestri, dem die Bezie-
hung der Werke zu Bramantino schon aufgefallen war.
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zu Pferde und zu Fuß die Verwandten des jungen Römers, durch dieses plötzlich entstandene
Hindernis an der weiteren Verfolgung verhindert, unwillig Halt machen.
LA VERGINE MATRE PLACÖ IL FILIO QVALE PERGLI PEGCATI VOLEVA DISTRVERE IL MONDO
OFFERENDOLI S. DOMENICO ET S. FRANCESCO QVALI CON LA LOR DOCTRINA ET EXEMPLARITÄ LO
HAVESSENO A CONVERTIRE.1 Zwietracht und Gewalttätigkeit unter den Menschen schildert die Szene
des Vordergrundes: ein junger Mann, der unrechtmäßig Gut sich geraubt, wird von Frauen und
Kindern gezerrt; ein Mann hat einen anderen mit einer Keule zu Boden gestreckt. Auf einer Anhöhe
zu Häupten dieser Unglücklichen knieen die Heiligen Franziskus und Dominikus, Vergebung der
Fig. 36. Auferweckung eines herabgestürzten Architekten durch den heil. Dominikus.
Mailand, S. Maria delle Grazie.
Schulden von Christus erflehend. Über ihnen erscheint die Madonna, ihr Gebet dem Sohne empfehlend.
Ganz oben in den Wolken war wohl die Gestalt Christi zu sehen, sie ist jetzt verschwunden.
Diese sechs Darstellungen sind uns allein von einem großen Zyklus von Fresken erhalten ge-
blieben und sie in einem recht verwahrlosten Zustande.2 Gleichwohl läßt uns eine eingehendere Be-
trachtung der in chiaroscuro ausgeführten Malereien nicht in Zweifel darüber, daß sie von unserem
Bramantino stammen. Die Ausführung ist eine sehr breite, beinahe dekorative, wobei jedoch in
Zeichnung und Modellierung sehr feine Züge nicht fehlen, so daß das große Können und die Bedeutung
des Meisters sich darin deutlich ausprägen. In einer bis auf Bramantino nicht gekannten Art wird es
versucht, im Grisaille eine Art von Luftperspektive anzudeuten, dadurch daß die vorderen Gestalten
kräftig mit Weiß gehöht hervortreten, die im Hintergrunde befindlichen nur mehr durch dunkle
Umrißzeichnung vom grauen Grunde sich abheben. Die perspektivische Verkürzung, in welcher z. B.
1 Die jungfräuliche Mutter besänftigte den Sohn, der die Welt wegen ihrer Sünden vernichten wollte, indem sie die
Heiligen Dominikus und Franziskus ihm wies. Diese vermochten es, durch ihre Lehre und ihr Beispiel die Welt zu bekehren.
2 Die noch sehr ungenügende Reinigung der Fresken, welche ich mit der Erlaubnis des Ufficio Regionale im Sommer
1900 begann, ließ wenigstens die bis dahin durch eine dicke Schichte von Staub unkenntlich gewordenen Kompositionen
klar zum Vorschein kommen. Ich erfuhr hiebei freundliche Unterstützung von dem Maler Orcste Silvestri, dem die Bezie-
hung der Werke zu Bramantino schon aufgefallen war.
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