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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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I. Theil: Abhandlungen
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Romdahl, Axel L.: Pieter Brueghel der Ältere und sein Kunstschaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0091
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Axel L. Romdahl.

Dürfen wir van Mander glauben, so wäre Brueghel unmittelbar von Pieter Coeck — wohl bei dessen
Übersiedlung — zu dem Kupferstecher und Verleger Hieronymus Cock gegangen, jedenfalls nicht als
Lehrling sondern als Zeichner für die Offizin. Die Beziehungen zu diesem dauerten sein Leben lang
und waren von ebenso großer Bedeutung für seine Kunst wie wenigstens anfänglich für sein Aus-
kommen. Im Jahre 1551 wird der Maler in die St. Lukasgilde von Antwerpen als Meister eingeschrieben
und kurz nachher hat er wahrscheinlich die Italienreise angetreten, die damals als notwendiger Ab-
schluß für die Ausbildung eines niederländischen Künstlers angesehen wurde. Die Angabe des van
Mander, daß er auch Frankreich besuchte, konnte bisher weder durch Urkunden noch Kunstwerke
bestätigt werden. Dagegen ersehen wir aus Stichen und Studienblättern, daß er unterwegs Gelegenheit
hatte, die Naturschönheiten der Rheingegenden und der Tiroler Alpen zu genießen. Eine nach seiner
Vorlage radierte Ansicht eines Tiberfalles mag eine Erinnerung an den römischen Aufenthalt sein und
eine Vedute von Messina ein Zeugnis, daß die Wanderlust den Künstler bis dahin getrieben hat. Aus
der Inschrift «Petrus Breugel fec. Romae 1553» auf den beiden Radierungen «Dädalus und
Icarus» und «Merkur und Psyche» geht hervor, daß er noch in diesem Jahre in der ewigen Stadt
weilte.

Die Jahreszahl 1553 oben auf dem Georgstore von Antwerpen (Fig. 2) in dem köstlichen Stiche
Frans Huys' nach Brueghels Vorlage besagt in der Form, wie sie dort steht, nur, daß das Blatt zu dieser
Zeit gestochen ist, und gibt uns keineswegs das Recht zu behaupten, daß der Meister damals bereits
zurückgekommen war; denn die Stichvorlage könnte er ja noch vor der Abreise gezeichnet haben.
Jedenfalls dürfte er aber etwa um diese Zeit zurückgekehrt sein, obwohl ich erst aus dem Jahre
1555 eine datierte Handzeichnung mit einem Motiv aus den Umgebungen Antwerpens (im Louvre-
kabinette) anführen kann. Nun wird mehrere Jahre hindurch das Zeichnen von Vorlagen für den
Kupferstich seine Hauptbeschäftigung. Zuerst bearbeitet und staffiert er die landschaftlichen Reise-
studien für die Herausgabe von prächtigen Radierungen in Cocks Verlag und Mitte der Fünfziger-
jahre geht er dazu über, die zahlreichen didaktischen und phantastischen Blätter zu zeichnen, die nach
seinen Vorlagen von derselben Offizin herausgegeben wurden. Er läßt sich jedoch nicht dazu ver-
leiten, nur an dem Zeichenbrette in der dunklen Stube zu bleiben. Ein Mann der Wirklichkeit, des
gesunden Naturlebens, fühlt er sich instinktmäßig zu der Umgebung hingezogen, in welcher er auf-
gewachsen war und seine ersten Eindrücke empfangen hatte. Es war seine Lust, — wir sind von der
Zuverlässigkeit des van Mander in diesem Punkte gänzlich überzeugt — mit seinem Freunde und
Gönner, dem Kaufmanne Hans Franckert, in die Umgegend Antwerpens hinauszuziehen und, in
Bauernkleidern vermummt, an der tobenden Freude der Kirmessen und Hochzeitsfeste teilzunehmen.
Vielleicht machte er bei solchen Gelegenheiten von einem eigentümlichen, für seine Gemütsart aber
recht bezeichnenden Talente Gebrauch, von dem uns das Malerbuch gleichfalls erzählt. Im allge-
meinen etwas wortkarg, hat der Meister darin sein Vergnügen gefunden, die Leute, besonders seine
Lehrjungen, mit Spukgeschichten und wunderlichem Lärm zu erschrecken, und unter den einfältigen
Bauern gab es wohl für derartige Spässe den nötigen Spielraum. Diese Ausflüge waren nicht nur eine
Erholung sondern geradezu künstlerische Entdeckungsreisen, bei welchen er seine flinke Feder immer
bereit hielt. So sind jene zahlreichen Naturstudien nach ländlichen Gestalten und Behausungen (diese
allerdings seltener) entstanden, die den Hauptteil seiner Handzeichnungen bilden.

Im übrigen beschränkt sich unser Wissen von Brueghels Leben in dieser Antwerpener Periode
auf ein Klatschgeschichtchen bei van Mander, dessen Glaubwürdigkeit dahingestellt bleiben muß. Der
Künstler sollte demzufolge mit einem Dienstmädchen zusammengelebt haben und würde sie auch,
wäre sie nicht eine furchtbare Lügnerin gewesen, geheiratet haben. Auf die Probe gestellt, bestand
die Unverbesserliche diese nicht und verlor damit die Aussicht auf eine für sie so vorteilhafte Ehe.
Da der Meister aber das entsprechende Alter erreicht hatte und seit seinem erfolgreichen Auftreten
als Maler wohl auch in der Lage war, mochte es ihm erwünscht erscheinen, eine Familie zu gründen.
Seine Wahl fiel dann auf Marie, die Tochter Pieter Coecks, die mit ihrer Mutter in Brüssel wohnte.
Beide erteilten ihm ihre Zustimmung, freilich unter der von der künftigen Schwiegermutter gestellten
 
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