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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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I. Theil: Abhandlungen
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Romdahl, Axel L.: Pieter Brueghel der Ältere und sein Kunstschaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0094
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Pieter Brueghel d. Ä. und sein Kunstschaffen.

89

Fig. 3. Aus der Folge der radierten Dorrlandschaften
aus dem Jahre 1559.

Entwicklungspfade.

Wir dürfen es nicht übersehen, müssen es vielmehr als eine für seine ganze Künstlerbahn be-
deutsame Tatsache betrachten, daß Pieter Brueghel d. A. nicht in einer kosmopolitischen Weltstadt
wie das damalige Antwerpen sondern in einem entlegenen Dörfchen geboren und erzogen ist.

Wäre es zu kühn zu behaupten, seine ersten, die natürlichen Anlagen offenbarenden Knaben-
versuche hätten Bauern und ländliche Szenen als Vorbilder gehabt? Mit seinem Lehrer Pieter Coeck
van Aelst hat Brueghel wenig gemeinsam. Bei Hieronymus Gock war er ja nicht Schüler sondern als
Zeichner für den Kupferstich angestellt. Ausgeschlossen ist es freilich nicht, daß er gelegentlich auch
selbst die Radiernadel geführt hat, und man könnte etwa geneigt sein, eine ihm von Wessely1
zugeschriebene radierte Kirmeß mit der Jahreszahl 1549 als ein Probestück seiner Hand anzusehen;
die Auffassung und die Einzelmotive stimmen mit seinen späteren Darstellungen überein, die
Zeichnung ist unverstanden romanistisch, wie man sie bei einem Schüler des Pieter Coeck erwarten
würde. Ähnliche Figuren kommen übrigens in einigen sicheren Brueghel-Stichen vor. Im übrigen
beginnt aber der Meister nicht mit figürlichen Darstellungen sondern mit Landschaften, was gewiß
seinen Grund in den reichen Eindrücken der Wanderjahre hat. Die Alpen stillten die Sehnsucht
nach einer gewaltigen, hinreißend schönen Natur, die er mit allen den niederländischen Malern teilte,
und öffneten seine Augen für das organisch Zusammenhängende und das rhythmisch Bewegte in den
landschaftlichen Formen. Er hatte es nicht nötig, phantastische Gegenden zu ersinnen, er konnte, die
großartigste Wirklichkeit vor seinen Blicken ausgebreitet, studieren und zeichnen. Reisen schärfen die
Auffassung nicht nur für Fremdes und Fernes sondern auch für Bekanntes und Nahes und machen
durch-Gegensätze die Beobachtungen leichter. Hat aber der Aufenthalt in Italien für Brueghels künst-
lerische Entwicklung keine andere Bedeutung als diese gehabt? Dürfen wir von einem Manne, dessen
regen Blick und fleißige Hand sein ganzes Schaffen bezeugt, glauben, daß er als ein Blinder durch die
Stätten der Kunst gegangen wäre oder die Zeit unter jenen nordischen Malern verschleudert hätte, die

1 In Dohmes Kunst und Künstler I, Nr. XVII, S. 10.
 
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