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Axel L. Romdahl.
wegen des welschen Weines ihre Arbeit vergaßen? Und konnte nicht auch ein selbständiger und natio-
naler niederländischer Künstler wie Pieter Brueghel etwas in Italien lernen? Gewiß! Betrachten wir
nur das nach seiner Zeichnung gestochene Blatt Aestas (Fig. 4, 1570 von Hieronymus Gock heraus-
gegeben; die Zeichnung kann ja von viel früherem Datum sein). Die ganze Darstellung, eine Ernte-
szene, wird durch zwei echt romanistische Gestalten beherrscht. Solche Übungen wie diese hatte der
Meister nötig, — und wir können ihn hier als Vertreter der ganzen niederländischen Kunst betrachten
— um den menschlichen Körperbau, die Bewegung und die Verkürzung darstellen zu lernen. Brueghels
Fig. 4. Aestas.
Kupferstich nach P. Brueghel d. Ä von P. a Merica.
Studien in Italien bilden den Übergang von den unreifen, übel gezeichneten Schablonenfiguren seiner
Frühzeit zu den kecken charakteristischen Gestalten seiner entwickelten Kunst. Und wenn er es
zuerst auch für unnötig hielt, sich für die Komposition die Ratschläge der Italiener zu erbitten, so hat
er doch schließlich Werke hervorgebracht, welche in dieser Hinsicht etwas von ihrer Einwirkung ver-
raten (hier ist besonders das Bild mit den Blinden in Neapel zu nennen). Ebenso geben sich in seinen
Landschaften venezianische Vorbilder zu erkennen. Trotzdem blieb — es braucht dies nicht erst hervor-
gehoben zu werden — Pieter Brueghel immer in seinem Kern und Wesen ein treuer Sohn seiner Heimat
und Rasse, in einer Zeit, wo die meisten seiner Genossen den Südländern nachäfften. Es genügt nicht,
dies nur durch den Hinweis auf Einflüsse von Bosch zu erklären. Der Grund dazu liegt vielmehr in
seiner eigenen Veranlagung, die ja möglicherweise mit der bäuerlichen Herkunft zusammenhängt. Pieter
Brueghel d. Ä. und Hieronymus Bosch wurden in der Tat oft in viel nähere Beziehungen zu einander
Axel L. Romdahl.
wegen des welschen Weines ihre Arbeit vergaßen? Und konnte nicht auch ein selbständiger und natio-
naler niederländischer Künstler wie Pieter Brueghel etwas in Italien lernen? Gewiß! Betrachten wir
nur das nach seiner Zeichnung gestochene Blatt Aestas (Fig. 4, 1570 von Hieronymus Gock heraus-
gegeben; die Zeichnung kann ja von viel früherem Datum sein). Die ganze Darstellung, eine Ernte-
szene, wird durch zwei echt romanistische Gestalten beherrscht. Solche Übungen wie diese hatte der
Meister nötig, — und wir können ihn hier als Vertreter der ganzen niederländischen Kunst betrachten
— um den menschlichen Körperbau, die Bewegung und die Verkürzung darstellen zu lernen. Brueghels
Fig. 4. Aestas.
Kupferstich nach P. Brueghel d. Ä von P. a Merica.
Studien in Italien bilden den Übergang von den unreifen, übel gezeichneten Schablonenfiguren seiner
Frühzeit zu den kecken charakteristischen Gestalten seiner entwickelten Kunst. Und wenn er es
zuerst auch für unnötig hielt, sich für die Komposition die Ratschläge der Italiener zu erbitten, so hat
er doch schließlich Werke hervorgebracht, welche in dieser Hinsicht etwas von ihrer Einwirkung ver-
raten (hier ist besonders das Bild mit den Blinden in Neapel zu nennen). Ebenso geben sich in seinen
Landschaften venezianische Vorbilder zu erkennen. Trotzdem blieb — es braucht dies nicht erst hervor-
gehoben zu werden — Pieter Brueghel immer in seinem Kern und Wesen ein treuer Sohn seiner Heimat
und Rasse, in einer Zeit, wo die meisten seiner Genossen den Südländern nachäfften. Es genügt nicht,
dies nur durch den Hinweis auf Einflüsse von Bosch zu erklären. Der Grund dazu liegt vielmehr in
seiner eigenen Veranlagung, die ja möglicherweise mit der bäuerlichen Herkunft zusammenhängt. Pieter
Brueghel d. Ä. und Hieronymus Bosch wurden in der Tat oft in viel nähere Beziehungen zu einander