Pieter Brueghel d. Ä. und sein Kunstschaffen.
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betonten Momenten, den mystischen, symbolischen und erlösenden, zusammen. Das Wirken Christi
als Lehrer und Verkünder eignete sich auch weniger, von einer naiven und unvollkommenen Kunst
wiedergegeben zu werden. Mit dem XVI. Jahrhundert begann freilich, wie schon angedeutet wurde,
eine neue Zeit, wo besonders die Gleichnisse der Malerei neuen Stoff boten, aber die beiden alten
Lieblingsgebiete beanspruchten doch noch immer an erster Stelle das Interesse. Zu diesen gehören
auch die meisten neutestamentarischen Bilder Pieter Brueghels d. Ä.
Die Bethlehemlegende gibt ja zu einem idyllischen Realismus reiche Gelegenheit und ist bis in
unsere Tage wiederholt mit den frischen Farben der lebendigen Wirklichkeit geschildert worden. In
einem Gemälde wie Brueghels «Die Volkszählung zu Bethlehem» (im Museum zu Brüssel, datiert 1564,
Fig. 7 ') ist das Biblische nur ein Vorwand, die Hauptsache eine heitere Darstellung aus dem Winter-
leben in einem niederländischen Dorfe. Es ist ein kalter und klarer Dezembertag bei Sonnenuntergang.
Das Wasser ist fest gefroren, der Boden und die Dächer sind schneebedeckt. Uberall wimmelt es von
Leuten und Fuhrwagen. Außerhalb der Wirtschaft hat der kaiserliche Einnehmer sein Schild aus-
gehängt und seinen Rechentisch aufgestellt und um ihn drängen sich ungeduldig die Bauern. Josef
ist mit Maria eben angelangt und scheint sich vergeblich nach einem Obdach umzusehen.2 Alles ist
besetzt und wer hätte übrigens Zeit, sich mit einem armen Fremden abzugeben, jetzt, wo die Schweine ge-
schlachtet werden sollen und Holz zum Backen und zur Beuche geholt werden muß. Die Kinder beschäf-
tigen sich in ihrer Weise, schlittern und werfen Schneeball. Es sind die Kinderspiele des Winters, die
uns dieses Bild vorführt, ähnlich wie ein anderes — ebenfalls im Hofmuseum (Nr. 71g, Taf. XXIII) —
die des übrigen Jahres. Der Schneeballkampf ist vielleicht von allen den Figurenmotiven des Ge-
mäldes das am besten wiedergegebene. Man sieht, wie sich die Jungen niederkauern, um sich zu decken
und um neue Bälle zu machen, und die Bewegungen sind mit einer an die besten modernen Zeichnun-
gen erinnernden Sicherheit ausgeführt.
Das Originalexemplar des älteren Pieter Brueghel zu der in einer Mehrzahl Repliken von seinem
Sohne und Namensgenossen bekannten und zweifelsohne auf den Vater zurückgehenden Anbetung
der Könige wurde bisher nicht ermittelt. 3 Hier ist der ungewohnte Besuch das große Ereignis des
Tages. Die Bauern sind eifrig beschäftigt, wahrscheinlich mit dem Unterbringen der hohen Fremden.
In einem hinfälligen Schuppen empfängt Maria — für uns kaum sichtbar — die Huldigung der Könige,
während die Schneeflocken zwischen den Hütten und Ruinen Bethlehems tanzen.4 Vor einem der
Ausfahrtwege des Dorfes steht eine geharnischte Reitertruppe, die sich, von dem harmlosen, ganz
anders uniformierten Gefolge der Könige trennt. Sollten es schon die Abgesandten Herodis sein, be-
reit, den Kindermord zu beginnen? Jedenfalls ist es der Heiligen Familie noch möglich, sich nach
Ägypten zu retten. Nach Rubens' Kataloge (Nr. 191) soll unser Meister auch diese Episode gemalt
haben.
Die Anbetung der Könige ist doch ein allzu dankbares Thema, um durch eine Darstellung, und
zwar mit so kleinen Figuren wie die oben erwähnte, erschöpft zu werden. Brueghel hat es in noch
zwei großen und ganz verschiedenen Bildern behandelt.
Das eine, in Breitformat, etwa von denselben Dimensionen wie seine großen Gemälde im Hof-
museum, ist mit Temperafarben auf Leinwand gemalt und befindet sich im Besitze des Herrn Direktor
E. Fetis in Brüssel. Zufolge der Technik, die indessen das Interesse des Bildes steigert, ein wenig ver-
blichen, muß diese Anbetung der Könige doch den köstlichsten Arbeiten des Künstlers zugezählt
1 Kopien von Pieter Brueghel d. J. in Antwerpen Nr. 776, Brüssel Nr. 81, Lille. Interessant ist der Vergleich zwi-
schen dem Originalexemplare und der Kopie im Museum zu Brüssel. Jenes ist heller, kälter, feiner in den Lokalfarben,
diese ist mehr eintönig in Braun gehalten, ihre Malweise fetter. Diese Verschiedenheit ist auch im allgemeinen zwischen dem
Vater und dem Sohne vorherrschend und wird für das Bilderbestimmen von Bedeutung.
2 Wir erinnern uns hier ähnlicher Szenen aus mittelalterlichen Weihnachtsspielen.
3 Repliken: Prag Nr. 118, Antwerpen Nr. 797, Amsterdam Nr. 211, Breslau usw.
4 Die letzteren nehmen einen recht bedeutenden Raum ein und erinnern etwas an die Architekturmotive Dürers.
Ähnliche Bauwerke kommen auch in der Volkszählung vor.
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betonten Momenten, den mystischen, symbolischen und erlösenden, zusammen. Das Wirken Christi
als Lehrer und Verkünder eignete sich auch weniger, von einer naiven und unvollkommenen Kunst
wiedergegeben zu werden. Mit dem XVI. Jahrhundert begann freilich, wie schon angedeutet wurde,
eine neue Zeit, wo besonders die Gleichnisse der Malerei neuen Stoff boten, aber die beiden alten
Lieblingsgebiete beanspruchten doch noch immer an erster Stelle das Interesse. Zu diesen gehören
auch die meisten neutestamentarischen Bilder Pieter Brueghels d. Ä.
Die Bethlehemlegende gibt ja zu einem idyllischen Realismus reiche Gelegenheit und ist bis in
unsere Tage wiederholt mit den frischen Farben der lebendigen Wirklichkeit geschildert worden. In
einem Gemälde wie Brueghels «Die Volkszählung zu Bethlehem» (im Museum zu Brüssel, datiert 1564,
Fig. 7 ') ist das Biblische nur ein Vorwand, die Hauptsache eine heitere Darstellung aus dem Winter-
leben in einem niederländischen Dorfe. Es ist ein kalter und klarer Dezembertag bei Sonnenuntergang.
Das Wasser ist fest gefroren, der Boden und die Dächer sind schneebedeckt. Uberall wimmelt es von
Leuten und Fuhrwagen. Außerhalb der Wirtschaft hat der kaiserliche Einnehmer sein Schild aus-
gehängt und seinen Rechentisch aufgestellt und um ihn drängen sich ungeduldig die Bauern. Josef
ist mit Maria eben angelangt und scheint sich vergeblich nach einem Obdach umzusehen.2 Alles ist
besetzt und wer hätte übrigens Zeit, sich mit einem armen Fremden abzugeben, jetzt, wo die Schweine ge-
schlachtet werden sollen und Holz zum Backen und zur Beuche geholt werden muß. Die Kinder beschäf-
tigen sich in ihrer Weise, schlittern und werfen Schneeball. Es sind die Kinderspiele des Winters, die
uns dieses Bild vorführt, ähnlich wie ein anderes — ebenfalls im Hofmuseum (Nr. 71g, Taf. XXIII) —
die des übrigen Jahres. Der Schneeballkampf ist vielleicht von allen den Figurenmotiven des Ge-
mäldes das am besten wiedergegebene. Man sieht, wie sich die Jungen niederkauern, um sich zu decken
und um neue Bälle zu machen, und die Bewegungen sind mit einer an die besten modernen Zeichnun-
gen erinnernden Sicherheit ausgeführt.
Das Originalexemplar des älteren Pieter Brueghel zu der in einer Mehrzahl Repliken von seinem
Sohne und Namensgenossen bekannten und zweifelsohne auf den Vater zurückgehenden Anbetung
der Könige wurde bisher nicht ermittelt. 3 Hier ist der ungewohnte Besuch das große Ereignis des
Tages. Die Bauern sind eifrig beschäftigt, wahrscheinlich mit dem Unterbringen der hohen Fremden.
In einem hinfälligen Schuppen empfängt Maria — für uns kaum sichtbar — die Huldigung der Könige,
während die Schneeflocken zwischen den Hütten und Ruinen Bethlehems tanzen.4 Vor einem der
Ausfahrtwege des Dorfes steht eine geharnischte Reitertruppe, die sich, von dem harmlosen, ganz
anders uniformierten Gefolge der Könige trennt. Sollten es schon die Abgesandten Herodis sein, be-
reit, den Kindermord zu beginnen? Jedenfalls ist es der Heiligen Familie noch möglich, sich nach
Ägypten zu retten. Nach Rubens' Kataloge (Nr. 191) soll unser Meister auch diese Episode gemalt
haben.
Die Anbetung der Könige ist doch ein allzu dankbares Thema, um durch eine Darstellung, und
zwar mit so kleinen Figuren wie die oben erwähnte, erschöpft zu werden. Brueghel hat es in noch
zwei großen und ganz verschiedenen Bildern behandelt.
Das eine, in Breitformat, etwa von denselben Dimensionen wie seine großen Gemälde im Hof-
museum, ist mit Temperafarben auf Leinwand gemalt und befindet sich im Besitze des Herrn Direktor
E. Fetis in Brüssel. Zufolge der Technik, die indessen das Interesse des Bildes steigert, ein wenig ver-
blichen, muß diese Anbetung der Könige doch den köstlichsten Arbeiten des Künstlers zugezählt
1 Kopien von Pieter Brueghel d. J. in Antwerpen Nr. 776, Brüssel Nr. 81, Lille. Interessant ist der Vergleich zwi-
schen dem Originalexemplare und der Kopie im Museum zu Brüssel. Jenes ist heller, kälter, feiner in den Lokalfarben,
diese ist mehr eintönig in Braun gehalten, ihre Malweise fetter. Diese Verschiedenheit ist auch im allgemeinen zwischen dem
Vater und dem Sohne vorherrschend und wird für das Bilderbestimmen von Bedeutung.
2 Wir erinnern uns hier ähnlicher Szenen aus mittelalterlichen Weihnachtsspielen.
3 Repliken: Prag Nr. 118, Antwerpen Nr. 797, Amsterdam Nr. 211, Breslau usw.
4 Die letzteren nehmen einen recht bedeutenden Raum ein und erinnern etwas an die Architekturmotive Dürers.
Ähnliche Bauwerke kommen auch in der Volkszählung vor.