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Axel L. Romdahl.
Trauer hingebe und die Einsamkeit in einem Augenblicke suche, wo er, wenn irgend jemand, Maria
beistehen sollte, scheint mir ungereimt und mit der Legende, in welcher er die anderen Apostel er-
mahnt, nicht zu weinen, um nicht den Hohn der Juden herauszufordern, wenig übereinstimmend.
Eher könnte man daran denken, daß Johannes, der früher als die anderen Apostel herbeikam und viel-
leicht am Krankenlager gewacht hat, ermüdet eingeschlafen ist, als er einen Augenblick Ruhe suchte,
und daß man bei dem Nahen des Todes, als alle Gedanken sich auf die Hinscheidende richten, es ver-
gaß, ihn zu wecken. Wie dem auch sei, es ist eine edle, ergreifende Gestalt und eine Schöpfung von
Brueghel selbst, kein überliefertes Erbe.
Durch die Vereinigung von ideeller und realistischer Auffassung und durch die tief poetische
Verwendung des Lichtes gehören die Auferstehung und der Tod Maria zu den Werken, die, lange vor
Rembrandt geschaffen, doch an ihn erinnern.
Absichtlich unterließ ich es, zwischen die letzten beiden Bilder ein paar Darstellungen einzu-
schieben, die nach "der historischen Reihenfolge der Motive hier ihren Platz gehabt hätten. Das eine ist
die Emauswanderung, 1571 von Philipp Galle gestochen und von nur geringem Interesse. Christus geht
zwischen zwei Pilgern, sowohl das Genremäßige als auch die Landschaft ist auf ein Minimum reduziert.
Die andere, die Bekehrung Sauls, aus dem Jahre 1567,im Wiener Hofmuseum (Nr. 714, Fig. i3)r
ist merkwürdig genug. Den Gegenstand kennen wir aus früheren niederländischen Behandlungen, wie
aus der des Lukas von Leyden, mit welcher jedoch das Gemälde Brueghels nichts gemeinsam hat. In
diesem ist die Szenerie eine großartige Alpennatur, auf die wir im folgenden zurückkommen werden,
die Figuren — übrigens sehr übel gezeichnet — sind bewaffnete Scharen auf dem Wege nach Damaskus.
Die Episode mit dem Apostel wird ganz nebensächlich im Hintergrunde dargestellt.
1 Dieses Gemälde, schon einmal im Jahrbuche (Band II, Taf. XV) in Radierung wiedergegeben, wird nur der Voll-
ständigkeit wegen hier nochmals reproduziert (Anm. der Redaktion).
Fig. i3. Sauls Bekehrung.
Gemälde von Pieter Brueghel d. Ä. in der kais. Gemäldegalerie zu Wien.
Axel L. Romdahl.
Trauer hingebe und die Einsamkeit in einem Augenblicke suche, wo er, wenn irgend jemand, Maria
beistehen sollte, scheint mir ungereimt und mit der Legende, in welcher er die anderen Apostel er-
mahnt, nicht zu weinen, um nicht den Hohn der Juden herauszufordern, wenig übereinstimmend.
Eher könnte man daran denken, daß Johannes, der früher als die anderen Apostel herbeikam und viel-
leicht am Krankenlager gewacht hat, ermüdet eingeschlafen ist, als er einen Augenblick Ruhe suchte,
und daß man bei dem Nahen des Todes, als alle Gedanken sich auf die Hinscheidende richten, es ver-
gaß, ihn zu wecken. Wie dem auch sei, es ist eine edle, ergreifende Gestalt und eine Schöpfung von
Brueghel selbst, kein überliefertes Erbe.
Durch die Vereinigung von ideeller und realistischer Auffassung und durch die tief poetische
Verwendung des Lichtes gehören die Auferstehung und der Tod Maria zu den Werken, die, lange vor
Rembrandt geschaffen, doch an ihn erinnern.
Absichtlich unterließ ich es, zwischen die letzten beiden Bilder ein paar Darstellungen einzu-
schieben, die nach "der historischen Reihenfolge der Motive hier ihren Platz gehabt hätten. Das eine ist
die Emauswanderung, 1571 von Philipp Galle gestochen und von nur geringem Interesse. Christus geht
zwischen zwei Pilgern, sowohl das Genremäßige als auch die Landschaft ist auf ein Minimum reduziert.
Die andere, die Bekehrung Sauls, aus dem Jahre 1567,im Wiener Hofmuseum (Nr. 714, Fig. i3)r
ist merkwürdig genug. Den Gegenstand kennen wir aus früheren niederländischen Behandlungen, wie
aus der des Lukas von Leyden, mit welcher jedoch das Gemälde Brueghels nichts gemeinsam hat. In
diesem ist die Szenerie eine großartige Alpennatur, auf die wir im folgenden zurückkommen werden,
die Figuren — übrigens sehr übel gezeichnet — sind bewaffnete Scharen auf dem Wege nach Damaskus.
Die Episode mit dem Apostel wird ganz nebensächlich im Hintergrunde dargestellt.
1 Dieses Gemälde, schon einmal im Jahrbuche (Band II, Taf. XV) in Radierung wiedergegeben, wird nur der Voll-
ständigkeit wegen hier nochmals reproduziert (Anm. der Redaktion).
Fig. i3. Sauls Bekehrung.
Gemälde von Pieter Brueghel d. Ä. in der kais. Gemäldegalerie zu Wien.