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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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I. Theil: Abhandlungen
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Romdahl, Axel L.: Pieter Brueghel der Ältere und sein Kunstschaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0127
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Axel L. Romdahl.

gestellt worden war, wird eine Hauptaufgabe der Brueghelschen Kunst. Gewandt und treffend illu-
striert der Meister die zeitgenössischen Volksanschauungen; aber wie aus einem Vergleiche zwischen
seinen betreffenden Darstellungen und der früheren Kunst sowie der älteren Sprichwortliteratur hervor-
geht, hat er im allgemeinen den Inhalt seiner witzigen Bilder aus der Überlieferung, nicht aus den
eigenen Vorratskammern geholt.1 «Die fette» und «die magere Küche» gehören unter die be-
kanntesten gestochenen Kompositionen des Meisters. In dem einen Blatte sitzen arme Leute bei einer

Fig. 21. Die fette Küche.
Kupferstich nach P. Brueghel d. Ä. von P. a Merica.

elenden Mahlzeit von Muscheln. Aus Versehen ist ein dicker Herr hereingekommen, flieht aber eiligst
davon. Der andere Stich läßt uns einem schwelgerischen Gelage von dicken und runden Personen —
unter anderen sehen wir auch einen Mönch — beiwohnen. Sogar der bloße Anblick eines hungernden
Dudelsackpfeifers an der Tür ist dieser Gesellschaft widrig und er wird unbarmherzig hinausgeworfen
(Fig. 21). Trotz eines gewissen von der Natur des Gegenstandes bedingten Karikierens haben beide
Blätter vorzügliche, charakteristische Einzelheiten. Das Motiv dürfte von Bosch entlehnt sein.2 Ob-

1 Ober niederländische Sprichworte vgl. unter anderen: P. J. Harrebomee, Spreekwoordenboek der Nederlandsche Taal,
Utrecht 1858; J.P.Sprenger van Eyck, Nalezingen en Vervolg op de vaderlandsche Spreekwoorden, Rotterdam 1838.

2 Vgl. K. Justis Abhandlung über Bosch: Jahrbuch der königl. preußischen Kunstsammlungen X, 1889, und Vasari,
Opere V, p. 439, wo zwei Bilder von Bosch in folgender Weise erwähnt werden: «Un Garnovale che godendosi con molti
a tavola caccia via la Quaresima, ed un altra poi la Quaresima, che caccia via il Garnovale.» Fortunat von Schubert-
Soldern in: Beiträgen zur Kunstgeschichte, Franz Wickhoff gewidmet, Wien 1903, S. 77, bemerkt, daß diese Beschreibung
an den Streit des Faschings mit der Fasten im Hofmuseum erinnere, übersieht aber ihre völlige Obereinstimmung mit der
fetten und mageren Küche.
 
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