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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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I. Theil: Abhandlungen
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Romdahl, Axel L.: Pieter Brueghel der Ältere und sein Kunstschaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0141
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i36

Axel L. Romdahl.

Meisters versehen ist: «dit sin dye p.elge rommen die op Sint Jans dach buyten brüssel toe moelebec
danssen moeten ende als hy ouer en brugge gedanst oft gesprongen hebben dan sin sy genesen voor
een heel Jaer vant sint. Jans sichte» (Taf. XXI). Es sind die Fallsüchtigen, die am Johannistage über
die Brücke bei Molenbeck tanzen, um genesen zu können.1 Die Patienten sind Frauen im mittleren
Alter, welche während, der Anfälle mit der größten Anstrengung von jungen Männern geleitet werden.
Man verschmäht auch das Mitwirken der Dudelsackpfeifer nicht, um sie beruhigen zu können. Der
prägnante Realismus der Mienen und Bewegungen, die einfache Würde der Komposition zwingen uns
eine tiefe Bewunderung ab. Die Zeichnung ist weder ein direktes Studienblatt noch eine Vorlage für
den Stich sondern muß vielleicht eher als ein Entwurf, ein ausgeführter Karton zu einem Gemälde
betrachtet werden. Sie wurde 1642 von H. Hondius in drei guten Stichen reproduziert.

Fig.-3i. Fastnachtspiel von «Ourson und Valentin».
Holzschnitt von P. Brueghel d. Ä.

Auf die höhere Bürgerschaft in Antwerpen und Brüssel erdreistete sich der Künstler nicht sein
witziges und scharfes Zeichnerauge zu werfen; aus der Stadtbevölkerung suchte er sich bisweilen einen
verkommenen Landsknecht oder einen Bettler, ausnahmsweise einen selteneren Typus wie zwei
jüdische Rabbiner (in einer Zeichnung im Städelschen Institute zu Frankfurt a. M.) aus. Auch scheinen
verschiedene von seinen Bauernskizzen auf dem Markte gemacht zu sein. Das eigentliche Feld der
Brueghelschen Kunst ist jedoch vor allem das Land, und das Landleben hat er auch zum Gegenstande
seiner meisten und besten reinen Sittenbilder gemacht. Wenn er die Arbeit schildert, geschieht es im
Zusammenhange mit den Monats- und Jahreszeitenbildern. In den Vordergründen der drei zusammen-
gehörigen Landschaften im Hofmuseum, Nr. 70g, 711, 713 (Taf. XXV—XXVII), welche wahrschein-
lich Monate darstellen (etwa: November, Februar, Dezember), kommen Szenen aus dem ländlichen
Arbeitsleben vor. Bei Hieronymus Cock erschienen 1570 zwei posthume Brueghel-Stiche von Merica,

1 Der Aberglaube und seine Darstellung durch Brueghel wird von Gharcot in «Les demoniaques dans l'art» besprochen.
 
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