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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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I. Theil: Abhandlungen
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Romdahl, Axel L.: Pieter Brueghel der Ältere und sein Kunstschaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0142
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Pieter Brueghel d. Ä. und sein Kunstschaffen.

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in denen der Frühling und der Sommer durch ihre speziellen Beschäftigungen dargestellt werden. In
dem ersten sehen wir die Schloßfrau die Gartenarbeiten überwachen, in dem anderen — übrigens
schon bei der Erörterung der Entwicklung des Meisters erwähnt — arbeiten die Erntenden in heißem
Sonnenscheine (Fig. 4). Die Folge wurde von Hans Bol durch zwei weitere Blätter vervollständigt.

Einen fesselnden Einblick in die alltägliche Häuslichkeit der vlämischen Bauern erhalten wir, wenn
wir dem Gutsherrn und seiner Frau bei ihrem «Besuch in dem Pachthofe» folgen (Fig. 32).1 Der un-
gewohnte und ehrende Besuch scheint durch die Geburt des dritten Kindes in der Bauernfamilie veran-
laßt zu sein. Der Herr überreicht dem demütig dankbaren Vater einen Pudding, die Frau sucht aus
der Tasche ein Geldstück für einen kleinen Jungen in bloßem Hemde hervor. Hinter den Herrschaften
sehen wir ein Dienstmädchen, einen mit Gaben gefüllten Korb am Arme. Den Vater ausgenommen,

Fig. 32. Der Besuch auf dem Pachthofe.
Grisaillegemälde von P. Brueghel d. Ä. im Museum zu Antwerpen.

sind alle Mitglieder des Hauses mit ihrem eigenen Vorhaben beschäftigt und haben die Fremden noch
nicht bemerkt. Die Mutter sitzt auf dem Fußboden in einer ungesucht natürlichen Stellung, die mit
der der Frau in Bastien-Lepages Heuernte im Musee Luxembourg völlig übereinstimmt; diese Parallele
mag erwähnt werden, um die Verwandtschaft zwischen dem alten Bauern-Brueghel und den besten
Vertretern der modernen realistischen Kunst zu zeigen. Ihre Aufmerksamkeit ist geteilt zwischen dem
Kessel auf dem Herde und den Kindern, von welchen das Neugeborene eben gewickelt wird, wäh-
rend der Hund sich einen Platz in der Wiege gesucht hat. Die abwehrend ausgestreckte Hand gilt dem
nächstjüngsten Sprößling, der auf einem Stuhle in der Nähe sitzt und gerade einen Krug mit unange-
messenem Inhalte an den Mund setzen will. Links sitzt ein Mann auf einer langen, mit angeklebten

1 Grisaille im Museum zu Antwerpen Nr. 645, als Pieter Brueghel d. J. im Kataloge aufgeführt, von H. Hymans
sicher mit vollem Rechte als Original Pieter Brueghels d. Ä. angesehen. Im Hofmuseum (Nr. 707) dieselbe Komposition in
Farben. Jan Brueghel d. Ä. zugeschrieben, ist sie jedenfalls nicht von Pieter Brueghel d. Ä.

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