1^3 Axel L. Romdahl.
Fig. 39. Der Gähner.
Kupferstich nach P. Brueghel d. Ä. von Lukas Vorstermann.
Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts ist das Charakteristische in der niederländischen Malerei —
wenn wir das Porträt abrechnen — fast heimatlos. Die Romanisten verfolgen ganz andere Ziele und
sogar der bedeutendste Künstler nationaler Richtung, Pieter Aertsen, ist im Grunde und vor allem ein
Stillebenmaler. Da kommt Brueghel und pflegt das Charakteristische, wie es nie vorher geschehen war,
sieht es neu und originell und befreit es aus der strammen Bildnisstellung «des Mannes mit den Nelken».
«Bewegt euch» — scheint er zu den Modellen gesagt zu haben — «so frei und flink ihr wollt,
mein Auge und meine Hand können euch doch folgen. Ich will euch nicht in Feiertagskleidern und
mit Kirchenmienen sehen sondern in der Lust und Not des Alltagslebens, schlicht und ungekünstelt
im Ausdruck, in Gebärden und Bewegungen. Deshalb verabscheue ich das modische Affenspiel der
Städte und gehe zu euch Bauern, meinen Verwandten, hinaus.» Auch die Gemütszustände, die er dar-
stellte, sind nicht die in der kirchlichen Malerei gewohnten und hergebrachten: geduldiges Leiden, tiefe
Trauer, fromme Anbetung, seliges Träumen. Es sind die Gefühle und Erlebnisse der gewöhnlichen
Fig. 39. Der Gähner.
Kupferstich nach P. Brueghel d. Ä. von Lukas Vorstermann.
Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts ist das Charakteristische in der niederländischen Malerei —
wenn wir das Porträt abrechnen — fast heimatlos. Die Romanisten verfolgen ganz andere Ziele und
sogar der bedeutendste Künstler nationaler Richtung, Pieter Aertsen, ist im Grunde und vor allem ein
Stillebenmaler. Da kommt Brueghel und pflegt das Charakteristische, wie es nie vorher geschehen war,
sieht es neu und originell und befreit es aus der strammen Bildnisstellung «des Mannes mit den Nelken».
«Bewegt euch» — scheint er zu den Modellen gesagt zu haben — «so frei und flink ihr wollt,
mein Auge und meine Hand können euch doch folgen. Ich will euch nicht in Feiertagskleidern und
mit Kirchenmienen sehen sondern in der Lust und Not des Alltagslebens, schlicht und ungekünstelt
im Ausdruck, in Gebärden und Bewegungen. Deshalb verabscheue ich das modische Affenspiel der
Städte und gehe zu euch Bauern, meinen Verwandten, hinaus.» Auch die Gemütszustände, die er dar-
stellte, sind nicht die in der kirchlichen Malerei gewohnten und hergebrachten: geduldiges Leiden, tiefe
Trauer, fromme Anbetung, seliges Träumen. Es sind die Gefühle und Erlebnisse der gewöhnlichen