Pieter Brueghel d. Ä. und sein Kunstschaften.
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Straße, ein paar Scheunen und einen Kirchturm dem Publikum in einem Gemälde zu bieten. Im Hinter-
grunde gibt er jedoch diesen Motiven Raum. Wären nicht die schimmernde Wiese und die hellen,
graugelben Hütten in dem «Vogeldieb» des Hofmuseums (Nr. 718, Fig. 48), so könnten uns die wenig
glücklichen Figuren verleiten, das Bild aus den eigenhändigen Werken Pieter Brueghels d. Ä. zu strei-
chen.1 Im vorigen wurde schon bemerkt, wie fein die Landschaft und die Figuren in den «Blinden»
(Fig. 27) zu einander abgewogen sind; aber auch die erste allein für sich ist ein Meisterwerk von vor-
nehmer, ganzer und einfacher Schönheit. Die Poesie der weiten Ebene, der Heide, ist in ein paar Bil-
dern von Brueghel feinfühlig und ergreifend groß ausgedrückt. In dem Bilde «Der Mönch und die
Welt» zu Neapel (Fig. 25) sehen wir als Hintergrund eine Weide in der Nähe des Dorfes, traulich'und
duftig hell. In dem «Uberfall» (Fig. 35) dagegen ist die Heide endlos und öde, in sterbendes Dämme-
rungslicht gehüllt. Die beklemmende Melancholie und die düstere Verlassenheit dieser Natur steigert
den Eindruck der Gewalttat und wird selbst durch diesen gesteigert.
Die Vertiefung der Landschaftsstimmung, die sich hier so stark vernehmlich macht, ist Brueghel
überhaupt eigen. Seine Schilderungen besitzen ebenso viel Lyrisches als Reelles und Wahrhaftiges. Zu
diesem Ergebnisse wirkt der Ton in den Gemälden wesentlich mit: tief braun im Vordergrunde, in
hellere Nuancen und in Graugelb übergehend, und als Komplement blasse, kalte, grüne und blaue
Farben. Dieser Ton wirkt nicht traumhaft unwirklich wie der blaugraue Totalton bei den Land-
schaften in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, und auch nicht schematisch nach dem Rezepte
«der drei Töne», braun, grün, blau. Brueghel hat, wie später die holländische Landschaftsmalerei,
das Dunkelbraune als Grundton gewählt und geht bei seinen vorzüglichen Wiedergaben der Luft-
perspektive und der Ubergänge von dieser gegebenen Dominante aus. Pieter Brueghel ist vielleicht
der vielseitigste aller alten Landschafter: die Alpen und die Ebene, das Land und die Stadt, den Wald
und das Meer, den Sommer, den Frühling, den Herbst und den Winter hat er mit derselben freude-
vollen Liebe und derselben eingehenden Wahrheit dargestellt. Und zu ihm laufen alle Fäden in der
späteren niederländischen Landschaftskunst zurück.
1 Replik in der Sammlung Weber in Hamburg, Katalog von Woermann Nr. 84.
Fig. 49- Aus der Folge der radierten Dorflandschaften aus dem Jahre 1559.
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Straße, ein paar Scheunen und einen Kirchturm dem Publikum in einem Gemälde zu bieten. Im Hinter-
grunde gibt er jedoch diesen Motiven Raum. Wären nicht die schimmernde Wiese und die hellen,
graugelben Hütten in dem «Vogeldieb» des Hofmuseums (Nr. 718, Fig. 48), so könnten uns die wenig
glücklichen Figuren verleiten, das Bild aus den eigenhändigen Werken Pieter Brueghels d. Ä. zu strei-
chen.1 Im vorigen wurde schon bemerkt, wie fein die Landschaft und die Figuren in den «Blinden»
(Fig. 27) zu einander abgewogen sind; aber auch die erste allein für sich ist ein Meisterwerk von vor-
nehmer, ganzer und einfacher Schönheit. Die Poesie der weiten Ebene, der Heide, ist in ein paar Bil-
dern von Brueghel feinfühlig und ergreifend groß ausgedrückt. In dem Bilde «Der Mönch und die
Welt» zu Neapel (Fig. 25) sehen wir als Hintergrund eine Weide in der Nähe des Dorfes, traulich'und
duftig hell. In dem «Uberfall» (Fig. 35) dagegen ist die Heide endlos und öde, in sterbendes Dämme-
rungslicht gehüllt. Die beklemmende Melancholie und die düstere Verlassenheit dieser Natur steigert
den Eindruck der Gewalttat und wird selbst durch diesen gesteigert.
Die Vertiefung der Landschaftsstimmung, die sich hier so stark vernehmlich macht, ist Brueghel
überhaupt eigen. Seine Schilderungen besitzen ebenso viel Lyrisches als Reelles und Wahrhaftiges. Zu
diesem Ergebnisse wirkt der Ton in den Gemälden wesentlich mit: tief braun im Vordergrunde, in
hellere Nuancen und in Graugelb übergehend, und als Komplement blasse, kalte, grüne und blaue
Farben. Dieser Ton wirkt nicht traumhaft unwirklich wie der blaugraue Totalton bei den Land-
schaften in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, und auch nicht schematisch nach dem Rezepte
«der drei Töne», braun, grün, blau. Brueghel hat, wie später die holländische Landschaftsmalerei,
das Dunkelbraune als Grundton gewählt und geht bei seinen vorzüglichen Wiedergaben der Luft-
perspektive und der Ubergänge von dieser gegebenen Dominante aus. Pieter Brueghel ist vielleicht
der vielseitigste aller alten Landschafter: die Alpen und die Ebene, das Land und die Stadt, den Wald
und das Meer, den Sommer, den Frühling, den Herbst und den Winter hat er mit derselben freude-
vollen Liebe und derselben eingehenden Wahrheit dargestellt. Und zu ihm laufen alle Fäden in der
späteren niederländischen Landschaftskunst zurück.
1 Replik in der Sammlung Weber in Hamburg, Katalog von Woermann Nr. 84.
Fig. 49- Aus der Folge der radierten Dorflandschaften aus dem Jahre 1559.